Feministin Alice Schwarzer. Foto: dpa/Henning Kaiser

Deutschlands bekannteste Feministin Alice Schwarzer warnt vor dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz, das eine Änderung des Geschlechts erleichtern soll. Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, hält dagegen.

Wenn man in Deutschland etwa seinen Namen und den Geschlechtseintrag ändern wolle, müsse man ein langwieriges Verfahren durchlaufen und Zwangsgutachten erstellen lassen, sagt Sven Lehmann (Grüne), Queer-Beauftragter der Bundesregierung. Die Ampel-Parteien haben deshalb im Koalitionsvertrag festgelegt, dass das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden soll. „Bei dem Selbstbestimmungsgesetz geht es um die Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstand, also im Ausweis und in anderen offiziellen Dokumenten“, so Lehmann.

Problem der Geschlechterrolle und deren Überwindung

Die Feministin und Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“, Alice Schwarzer, warnt vor diesem Gesetz obwohl die heute 79-Jährige sich schon seit den 70er-Jahren für Transsexuelle eingesetzt habe. Zusammen mit „Emma“-Redakteurin Chantal Louis hat Schwarzer nun eine Streitschrift herausgegeben mit dem Titel „Transsexualität - Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?“. Das Buch soll eine breite öffentliche Debatte anstoßen. „Es geht nicht um die extrem kleine Gruppe echter Transsexueller“, betont Schwarzer. „Es geht um Zehntausende junge Mädchen, die plötzlich ihr Geschlecht wechseln wollen.“ Schwarzer empört sich besonders darüber, dass der sogenannte Geschlechtswechsel künftig schon ab 14 Jahren möglich sein solle. „Es geht vor allem um sehr junge Mädchen. Mittlerweile gibt es Klassen, in denen vier Mädchen sitzen und sagen: "Ich bin trans - ich will ein Junge werden!" Es wird zum Massenphänomen.“ Sie spricht von einer regelrechten „Trans-Mode“. Als Ursache dafür vermutet sie: „Diese jungen Mädchen, die jetzt die Therapeutenpraxen stürmen, leben in einer Welt, die ihnen sehr widersprüchliche Botschaften vermittelt. Einerseits wird ihnen gesagt: ‚Du kannst Kanzlerin werden, du kannst Astronautin werden, du kannst alles, was die Männer können!’ Gleichzeitig wird ihnen signalisiert: ‚Aber immer schön Frau bleiben dabei! Der Körper, der Busen, das Gesicht - muss alles perfekt sein!’“ Durch diesen Spagat entstehe ein Unbehagen mit der eigenen Frauenrolle. „Die Lösung dieses Problems ist aber nicht, den eigenen Körper zu verstümmeln. Die Lösung ist, die Frauenrolle zu überwinden. Die Therapeuten müssen unterscheiden lernen zwischen den seltenen echten Fällen von Transsexualität und den vielen Fällen, in denen junge Frauen und junge Männer Probleme mit ihrer Geschlechterrolle haben.“

„Mehr Offenheit, mehr Transsexuelle“

Sven Lehmann sieht das anders. „Alice Schwarzer kann von außen nicht beurteilen, was Transmenschen bewegt und sollte das auch nicht tun“, kritisiert er. „Trans ist ganz sicher weder ein Hype noch eine Modeerscheinung.“ Niemand mache so etwas leichtfertig. Dass die Zahl der Transmenschen stark gestiegen ist, liegt seiner Meinung nach daran, dass die Gesellschaft offener geworden ist und es heute mehr Informationen, mehr Identifikationsmöglichkeiten und Beratungsstellen gibt.