Die Gymnasien sind sehr gefragt – in vielen fünften Klassen geht es eng zu. Foto: dpa

Arbeitszeitverkürzung für Lehrer statt Verlängerung, fordert der Philologenverband. Die baden-württembergische Landesregierung solle sich doch ein Beispiel an Bayern nehmen.

Arbeitszeitverkürzung für Lehrer statt Verlängerung, fordert der Philologenverband. Die baden-württembergische Landesregierung solle sich doch ein Beispiel an Bayern nehmen.

Schwäbisch Gmünd - Nein, das Bild von der Höhle des Löwen passe nicht, sagt Kultusminister Andreas Stoch, als er in Schwäbisch Gmünd vor die etwa 100 Delegierten des Philologenverbands Nordwürttemberg tritt. So war sein Besuch bei den Gymnasiallehrern in einem Artikel angekündigt worden. Auch sei er nicht verängstigt, betont der SPD-Politiker. Er setze auf Argumente, nicht auf Zerrbilder.

Gut gebrüllt. Die Beziehung zwischen dem Verband der Gymnasiallehrer und der Landesregierung ist seit langem angespannt: Zum Beispiel, weil Grün-Rot die Gemeinschaftsschule eingeführt und die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft hat und den Gymnasien damit noch mehr Schüler beschert. Aber auch, weil bis 2020 insgesamt 11 600 Lehrerstellen wegfallen sollen und deshalb die Arbeitsbedingungen verschärft werden: Seit diesem Schuljahr gibt es weniger Entlastung für Lehrer, die besondere Aufgaben übernehmen. Und die bisherige Altersermäßigung sollen sie künftig zwei Jahre später erhalten.

Die Gymnasien leisteten gute Arbeit, lobt Stoch. Veränderungen in der Gesellschaft machten aber auch Verbesserungen im Bildungssystem nötig, die Bildungschancen dürften nicht länger von der Herkunft abhängen. Schon vor dem Regierungswechsel sei der Andrang an den Gymnasien hoch gewesen, sagt er. „Die Heterogenität ist nicht erst mit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung entstanden.“ Damit schwächere Schüler besser individuell gefördert werden können, hätten die Gymnasien zusätzliche Stunden erhalten. Er appelliert an die Gymnasiallehrer, die Gemeinschaftsschule, die Schüler je nach Leistungsfähigkeit und Motivation bis zum Abitur führen kann, nicht als Konkurrenz, sondern als „attraktive Alternative“ zu betrachten und zu unterstützen. „Ich bitte Sie, das Ganze zu sehen und nicht nur Teile.“ Es könne auch nicht länger hingenommen werden, dass 15 Prozent der Schulabgänger keinen oder einen schlechten Abschluss hätten, der kaum für eine Ausbildung reiche. Deshalb investiere Grün-Rot mehr in den vorschulischen Bereich und in den Ausbau von Ganztagsgrundschulen.

Immer wieder erhält Stoch Beifall

Stoch lässt durchblicken, dass auch ihm der geplante Stellenabbau große Sorgen macht, weil viele Reformen – etwa der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen – zusätzliche Ressourcen verlangen. Der Beschluss, 11 600 Stellen zu streichen, war noch unter seiner Vorgängerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) gefallen und orientierte sich an den kw-Vermerken – „künftig wegfallend“ – der früheren CDU-FDP-Koalition.

Am Ende des einstündigen Auftritts will ein Lehrer wissen, welcher Vision von Bildung die Landesregierung folge. Kinder und Jugendliche müssten befähigt werden, „ein ihrer Persönlichkeit entsprechendes selbstbestimmtes und zufriedenes Leben zu führen, unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft“, entgegnet er. Dabei spiele die Schule eine wichtige Rolle.

Immer wieder erhält Stoch Beifall. Am Schluss dankt ihm Bezirkschef Ralf Scholl für seinen „Löwenmut“ und stellt fest: „In Baden-Württemberg gibt es zumindest personell eine Besserung in der Bildungspolitik.“ Gymnasiallehrer überreichen Stoch einen offenen Brief. Er möge sich an Bayern orientieren, heißt es darin. Dort unterrichten Gymnasiallehrer bis 58 Jahre 23 Stunden wöchentlich, dann verringert sich das Deputat alle zwei Jahre um eine Stunde. Ab 62 sind es noch 20 Stunden. In Baden-Württemberg hingegen unterrichten Gymnasiallehrer regulär 25 Stunden. Bisher gab es ab 58 eine Stunde, ab 60 Jahren zwei Stunden Ermäßigung. Die kommt künftig später.