Moderator Joachim Dorfs (StZ), Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, Achim Wambach (ZEW), Gitte Neubauer (Cellzome) und Klaus Geißdörfer (EBM Papst, von links). Foto: LICHTGUT/Leif Piechowski

„Krisen als Chance?“ – eine illustre Podiumsrunde in der BW-Bank sieht eher Gefahren für die Transformation der Unternehmen als Signale der Hoffnung. Ein Mangel sticht dabei besonders hervor.

Wie sich die Wahrnehmungen doch abheben: Kanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Deutschland mitten in der „Zukunftswende“ und hofft wegen der Milliardengelder für den Klimaschutz auf ein Wirtschaftswunder wie in den 50er und 60er Jahren.

Völlig konträr ist die Sicht einer Podiumsrunde am Dienstagabend in der Stuttgarter BW-Bank: Dort sah man die Wirtschaft auf dem absteigenden Ast. „Die Lage ist schlecht und die Erwartungen sind bescheiden“, stellt zu Beginn Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW fest. Etliche Risiken sieht er „vor der Haustür“: eine mögliche Gasknappheit im Winter und wachsende Energiekosten, die sich hartnäckig haltende Kerninflation, demzufolge weiter steigende Zinsen mit der Folge einer Rezession. Auch Standortnachteile wie hohe Unternehmenssteuern, die schwache Gründungsdynamik oder die schleppende Digitalisierung der öffentlichen Hand seien eine „echte Bremse für die Wirtschaft“.

„Die Bürokratie aus dem Weg räumen“

Als ein Kernkritikpunkt erweist sich in der von Joachim Dorfs, dem Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, moderierten Runde die viel zu langsamen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese seien „für normale Zeiten, nicht für die Transformation geschaffen“, betont Wambach. Klaus Geißdörfer, Vorstandschef des Ventilatorenherstellers EBM Papst, nutzt die Gelegenheit, um die „Trägheit des Systems in Europa“ anzuprangern. Von wegen „Deutschland-Tempo“, wie Scholz es nennt: Die Genehmigungsverfahren seien in der Zeitenwende „eher noch langsamer geworden“. Geißdörfers Plädoyer: „Wir wünschen uns, dass sich jemand im Detail mit der Bürokratie beschäftigt und sie aus dem Weg räumt; da könnten wir viel Unterstützung gebrauchen“.

Gitte Neubauer, Geschäftsführerin des Biotechnologie-Unternehmens Cellzome, bemüht sich um positive Botschaften: Bei den Fachkräften stünde ihre Firma gut da, auch weil Baden-Württemberg eine hervorragende Forschungslandschaft habe. Dann kommt auch sie rasch auf die Mängel zu sprechen– neben der Bürokratie sei das der Datenschutz, der eine effektive Nutzung von Daten für Forschungszwecke behindere. Auch könnten Start-ups zu wenig Kapital mobilisieren. Trotz der vielen neuen Patente gebe es kaum Börsengänge. „Wir müssen die Innovationskraft auf die Straße bringen“.

Die Ministerin verstärkt die Alarmrufe

So steht in der Runde vor allem die Politik am Pranger, doch deren Vertreterin verstärkt die Alarmrufe noch. „Wir brauchen einen Ruck – eine Agenda 2030“, fordert Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. „Ehrlich machen müssen wir uns.“ Man müsse es ernst nehmen, wenn BDI-Präsident Siegfried Russwurm von einem Land im Abstieg spreche. Auch in Baden-Württemberg sei in Kernbereichen der Industrie ein schleichender Rückgang festzustellen.

Was also ist zu tun? Die Unternehmen bräuchten Rahmenbedingungen, die ihnen mehr Freiräume gäben, selbstständig zu entscheiden – eine „Besinnung auf die marktwirtschaftlichen Grundsätze“, sagt die CDU-Politikerin. Das Mikromanagement mit regionalen Fördermaßnahmen und die Regulierungswut führten auf vielen Ebenen zu Verdruss. Auch eine Unternehmenssteuerreform ist Teil ihrer Wunschliste, mit „Superabschreibungen“, die schnell wirken – ebenso ein Belastungsmoratorium, um kleinere Betriebe nicht weiter zu überfordern. Und natürlich Technologieoffenheit in der Transformation. Was sich von all dem auf Landesebene bewerkstelligen lässt, bleibt unklar. „Wir setzen ganz stark darauf, dass wir Innovation ermöglichen“, sagt die Ministerin. Eine halbe Milliarde Euro gebe das Land an Fördermitteln, was im Vergleich zu den Bundesgeldern jedoch ein geringer Betrag sei.