Zerbombte Häuser im Gazastreifen Foto: AFP/HASSAN FNEICH

Nach der versehentlichen Tötung von Gaza-Geiseln hat die Armee neue Details mitgeteilt. Einsatzregeln wurden verletzt. Rufe nach einer neuen Feuerpause dürften lauter werden. Kontakte laufen bereits.

Nach der versehentlichen Tötung von drei israelischen Geiseln im Gazastreifen durch israelische Soldaten hat die Armee am Samstag beklemmende Details mitgeteilt. Bei der Tötung der drei Israelis, die am 7. Oktober von der islamistischen Hamas in den Küstenstreifen verschleppt worden waren, seien Einsatzregeln verletzt worden, sagte ein Sprecher der Armee.

Die getöteten Männer seien mehrere Dutzend Meter entfernt von den Truppen mit nacktem Oberkörper und einem Stock mit einem weißen Stück Stoff daran aus einem Gebäude gekommen. Zwei der Männer seien von einem Soldaten sofort getötet worden. Ein dritter Mann habe sich angeschossen noch zurück in das Haus flüchten können. Nachdem er Hebräisch um Hilfe gerufen habe, befahl ein Kommandeur zwar, das Feuer einzustellen. Doch als der Verletzte zurück ins Freie kam, sei auch er von einem anderen Soldaten erschossen worden.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bezeichnete den Vorfall als „unerträgliche Tragödie“. Der Druck auf ihn, einer neuen Feuerpause für den Austausch von Geiseln gegen in Israel inhaftierte Palästinenser zuzustimmen, dürfte steigen. Nach israelischen Schätzungen werden derzeit noch 112 aus Israel verschleppte Menschen im Gazastreifen festgehalten. Weiterhin gebe die Hamas die Leichen von 20 am 7. Oktober Entführten nicht heraus, teilte das Büro Netanjahus mit.

Am Freitagabend demonstrierten Hunderte Menschen in Tel Aviv

Am Freitagabend demonstrierten Hunderte Menschen spontan in Tel Aviv wegen der Tötung der Geiseln. Auf Bildern im israelischen Fernsehen war zu sehen, wie sich eine große Menschenmenge im Zentrum der Küstenmetropole versammelte und eine Hauptstraße blockierte. Sie forderten von der Regierung, sich für die sofortige Freilassung der Geiseln aus dem Gazastreifen einzusetzen. Mit Plakaten, Spruchbändern und Postern mit den Namen und Bildern vieler anderer Geiseln marschierten die Demonstranten in Richtung des Hauptquartiers der israelischen Armee. Wie die Nachrichtenseite ynet berichtete, schütteten sie rote Farbe auf die Straße. „Ihre Zeit wird knapp! Bringt sie jetzt nach Hause“, riefen die Menschen. Für Samstagabend war eine weitere Demonstration angekündigt.

Unterdessen gab es Berichte, dass das Golfemirat Katar erneut zwischen Israel und der islamistischen Hamas vermittelt. Dabei gehe es um Bemühungen zu weiteren Freilassungen von Geiseln, wie die US-Zeitung „The Wall Street Journal“ und das Nachrichtenportal „Axios“ berichteten. Demnach soll der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, in Oslo mit dem katarischen Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zusammengekommen sein, um Gespräche über mögliche Überstellungen von Geiseln und Gefangenen zu führen. Dabei sei es auch um eine erneute Feuerpause gegangen.

Eine offizielle Bestätigung des Treffens gibt es bisher nicht. Gespräche über eine neue Feuerpause im Gaza-Krieg werden nach katarischen Angaben aber fortgesetzt. Das Golfemirat bekräftige seine laufenden diplomatischen Bemühungen zur Erneuerung der humanitären Pause, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums am Samstag. Katar unterhält gute Beziehungen zur Hamas.

Ende November hatten Israel und die Hamas erstmals eine Feuerpause vereinbart

Ende November hatten Israel und die Hamas unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA erstmals eine Feuerpause vereinbart, die zwei Mal kurz verlängert wurde. In der Zeit ließ die Hamas 105 Geiseln frei, darunter 14 deutsche Staatsbürger, und Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge.

Der israelische Militärsprecher betonte, dass das Vorgehen der an der Tötung der Geiseln beteiligten Soldaten nicht korrekt war. „Ich möchte sehr deutlich sagen, dass dieses Vorgehen gegen unsere Einsatzregeln war“, sagte er. Gleichwohl machte der Militärvertreter deutlich, dass es sich bei dem Gebiet um eine aktive Kampfzone handelte. Truppen seien dort bereits in Hinterhalte gelockt worden. Zudem seien Angreifer oft in „Jeans und Sneakers“ unterwegs.

Untersucht werde derzeit auch, ob es einen Zusammenhang mit einem Haus in der Nähe gebe, auf dem die Buchstaben SOS angebracht waren. Die Truppen im Gazastreifen seien an die Einsatzregeln erinnert worden, um solche tragischen Vorfälle zu vermeiden, hieß es. Unklar sei weiter, ob die Männer ihren Entführern entkommen konnten oder bewusst zurückgelassen wurden. „Dies ist für uns alle ein trauriger und schmerzhafter Vorfall und die Armee trägt die Verantwortung für alles, was passiert ist“, hatte der Sprecher des israelischen Militärs, Daniel Hagari am Freitag gesagt.

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Mehr als 1200 Menschen wurden dabei getötet und rund 240 Geiseln in den Küstenstreifen verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Nach jüngsten Angaben der Hamas wurden bisher rund 18 700 Menschen bei Angriffen im Gazastreifen getötet. Mehr als 50 000 Menschen wurden verletzt.