Alles rein in den Schnapskessel: Bäckermeister Hannes Weber Foto: /Rüdiger Bäßler

Der Friedrichshafener Hannes Weber macht aus Brotresten Alkohol. Wenn sein Projekt der Kreislaufwirtschaft profitabel wird, könnte es europaweit Nachahmer finden.

Immer wenn sich nach Ladenschluss die Filialtüren des Bäckereiunternehmens Weber in Friedrichshafen schlossen, spürte der Chef Hannes Weber in der Brust einen Stich. Dann mussten die unverkauften Wecken, Seelen, Törtchen und süßen Stückle zusammengeklaubt und kostenpflichtig als Abfall entsorgt werden. Unter anderem wegen der Zuckeranteile dürfen innerhalb der EU nicht mal Pferde, Hasen oder Schweine mit Bäckereiresten gefüttert werden. Es sei immer „schwer zu ertragen“, sagt Weber, „wenn ich Produkte, die ich selber gemacht habe, wegwerfen muss“.

 

So wie dem Bäcker- und Konditormeister vom Bodensee geht es vielen seiner rund 11 000 klein- und mittelständischen deutschen Unternehmerkollegen, die nicht im industriellen Maßstab produzieren. Auf jährlich rund 600 000 Tonnen belaufen sich nach Branchenschätzungen deren Reste und Retouren, das sind sechs bis zwölf Prozent der Tagesproduktion. Der Kunde, lautet eine Klage, agiere beim Einkauf immer sprunghafter, kurzfristiger, unvorhersehbarer.

Die EU muss noch überzeugt werden

Nun aber ist der Schmerz in Webers Brust weg, denn der 44-Jährige schmeißt seine Überproduktion neuerdings in einen Schnapsbrennkessel, den er sich neben seiner Backstube hat bauen lassen. Das ist für ihn umso schöner, als seine neue Brennerei auch noch mit der Wärme seiner Backöfen befeuert wird. Und die proteinreiche Schlempe, so nennt sich der Destillationsrückstand am Ende des Prozesses, geht an Biogasanlagen zur Energieerzeugung, und deren Rückstände wiederum als Dünger auf die Felder. So sieht Kreislaufwirtschaft aus.

Weber sieht sich bereits als Produzenten edlen Eichenfass-Whiskys. Noch nicht jetzt, aber „bis in spätestens fünf Jahren“, sagt er. Denn bisher ist die Spirituosenherstellung aus Altbackwaren nach EU-Recht verboten. „Aber das Gesetzgebungsverfahren läuft bereits“, weiß Daniel Einfalt, Wissenschaftler an der Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim.

Die ersten Versuche schlugen fehl

Bis eines Tages Whisky fließt, erzeugt die neue Friedrichshafener Brennerei hochprozentigen Bioethanol – untrinkbar, aber immerhin kostendeckend verkäuflich zum Beispiel zur Erzeugung von Desinfektionsmittel oder als Zusatzgabe zu Benzinkraftstoffen. Schon dieser Vorgang ist kompliziert genug. Einfalts Expertise war nötig, um unerwartete Probleme zu meistern. Zwar enthalte Brot große Mengen an Stärke, die wiederum von Enzymen leicht im Zuckermoleküle zerlegt werde, die ihrerseits in der Lage seien, zugesetzte Hefe in Alkohol umzuwandeln. Jedoch: Ausgerechnet sehr stärkehaltiges Weißbrot erwies sich in dem Prozess als weit unergiebiger als zum Beispiel Sahnetörtchen. Gärsalze mussten her, die die Hefe mit Stickstoff und Phosphat versorgen.

Auch die ganze Brennereianlage ist Handarbeit, ein Vorantasten in technologischem Neuland. Das hat Sebastian Müller vom gleichnamigen Anlagebauunternehmen übernommen. Er musste gucken, dass die Maische nicht anbrennt und „Fuselalkohole“ aus dem Spiel bleiben. Die rund 150 000 Euro für die Friedrichshafener Maschinen sind seine Firmeninvestition, das umgebende Gebäude zum selben Preis hat Bäcker Weber bezahlt – mit Zuschüssen wiederum des Bundeswirtschaftsministeriums. Müller taxiert die Zahl der Interessenten für eine funktionierende, austarierte Brotbrennerei auf rund 400 Betriebe in Deutschland. Werbeslogans fallen ihm genug ein, zum Beispiel dieser: „Ich trinke fürs Klima.“

Ein Projekt auch für die Wissenschaft

Bei der Uni Hohenheim verfolgt und dokumentiert eine Wissenschaftlerin den Fortgang des Projekts. Eine Doktorarbeit werde entstehen, sagt Einfalt, die einen wichtigen Beitrag zu einem internationalen Großthema liefere: Wie können durch innovative Technologien biologische Stoffe und Prozesse besser genutzt werden, um in Zukunft auf Kohle oder Erdöl zu verzichten? Mittendrin in all dem steht stolz der Bäcker Weber, der anfangs, als er noch auf der Suche nach Partnern war, vor allem die „Wertschätzung“ für seine Waren im Blick hatte. Jetzt bekennt er: „Ich bin total angefixt.“