Wird im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer umstrittenen pauschalen Beihilfe die Öffentlichkeit außen vor gehalten? So empfindet es der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Der Widerspruch erfolgt prompt.
Das Gesetz ist noch nicht endgültig beschlossen, doch die Anträge liegen beim Landesamt für Besoldung und Versorgung schon vor. Niemand rechnet offenkundig damit, dass bis zum 1. Januar 2023 noch etwas schiefgeht. Dabei ist das Vorhaben von Grün-Schwarz, eine pauschalierte Beihilfe zur Krankenversicherung als Alternative zur aufwendungsbezogenen Beihilfe zu den Krankheitskosten zu schaffen, weiter hochumstritten. Die Beamten erhalten monatlich einen 50-prozentigen Arbeitgeberzuschuss zu den Pflichtbeiträgen, wenn sie die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wählen.
Kontroverse zur Anhörung im Finanzausschuss
„Die pauschale Beihilfe belastet die Landeskasse bis 2030 mit zusätzlichen Kosten von mehr als 200 Millionen Euro“, sagte Florian Reuther, der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV), unserer Zeitung. Dieses Geld fehle dann für andere Landesprojekte von Schule bis Polizei. „So ein folgenschweres Gesetz hätte eine gründlichere Beratung verdient – aber die grün-schwarze Koalition will offenbar eine öffentliche Diskussion um diesen fragwürdigen Schritt in Richtung Bürgerversicherung vermeiden.“ Reuther zeigt sich verärgert, weil der Finanzausschuss des Landtags keine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durchführe – auch weil dazu bis zur zweiten und dritten Lesung im Parlament am 21. Dezember keine Zeit mehr sei.
Das Finanzministerium zeigt sich verwundert, „weil wir bei diesem Gesetz nicht anders verfahren sind als bei anderen Gesetzen“, wie ein Sprecher sagt. „Wir haben zum Gesetzentwurf ganz regulär die erforderlichen Anhörungs- und Beteiligungsverfahren durchgeführt.“ Die Anhörungsschreiben seien Ende Juli versandt worden. Zeitgleich sei der Gesetzentwurf in das Beteiligungsportal des Landes eingestellt worden und habe dort von den Bürgerinnen und Bürgern kommentiert werden können. Es seien dort mehrere Kommentare abgegeben worden.
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hätten sich diverse Organisationen geäußert – unter anderem der Beamtenbund (BBW), der Gewerkschaftsbund (DGB), Kommunalverbände und der Deutsche Hochschulverband. Auf Basis der Anhörungsergebnisse sei am 10. November die erste Lesung im Landtag erfolgt. Das Gesetz könne bei Beschlussfassung kurz vor Weihnachten pünktlich zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Auch die CDU-Landtagsfraktion sieht kein Versäumnis. Sie stehe zur Umsetzung des Vorhabens unter den im Koalitionsvertrag genannten Voraussetzungen, sagt ein Sprecher. „Dabei müssen wir im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bleiben und die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachten.“ Das vor der Einbringung in den Landtag vorgesehene Anhörungs- und Beteiligungsverfahren sei erfolgt.
Dass die Beratung im Finanzausschuss am vorigen Freitag nicht öffentlich stattgefunden hätte, sei bei Gesetzen, die die Beamten, die Versorgungsempfänger und die Beihilfe betreffen, das „normale Verfahren“. Die Öffentlichkeit hätte auf Antrag hergestellt werden können, was aber nicht dem üblichen Prozedere in solchen Fällen entsprechen würde. Insofern entspreche das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer pauschalen Beihilfe „der angewandten Norm bei Gesetzen betreffend die Beamten und Versorgungsempfänger sowie die Beihilfe“.
DGB hofft auf wachsende Attraktivität des Landes als Arbeitgeber
Der Gewerkschaftsbund war ein wesentlicher Antreiber des Gesetzes – der Beamtenbund leistete heftigen Widerstand. Der DGB sieht nun die geplante Erleichterung für Beamte, sich einfacher bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichern zu können, als einen Beitrag, den Staat als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Landesvize Maren Diebel-Ebers meint, dass der öffentliche Dienst interessanter werde für Quereinsteiger, die nicht die Chance hätten, sich privat zu versichern. „Das Angebot ist auch für junge Lehrkräfte attraktiv, die sich nach dem Referendariat verbeamten lassen. Künftig können sie sich entscheiden, wo sie sich versichern – ohne finanzielle Nachteile zu haben“, sagte sie.
Bisher zahlt das Land für Beamtinnen und Beamte keinen Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenkasse. Das heißt, dass Staatsdiener, die freiwillig gesetzlich versichert sind, die gesamten Beiträge selber schultern müssen. Künftig wird Baden-Württemberg das sechste Bundesland, das sich an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt.