Viele Kliniken in Deutschland sind selbst ein Fall für die Intensivstation. Foto: dpa/Jens Büttner

Eine grundlegende Krankenhausreform ist dringend notwendig. Manche Häuser brauchen aber schon vorher Hilfe, meint unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

Viele Krankenhäuser in Deutschland haben Existenzsorgen. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern auch gut und richtig, wenn am Dienstag Krankenhausgesellschaften, aber auch Gewerkschaften in einem bundesweiten Aktionstag auf die angespannte Situation aufmerksam machten. Dieser Protest unterscheidet sich in Dringlichkeit und Berechtigung durchaus von den Protesten anderer Mitspieler im Gesundheitswesen in der vergangenen Woche. Dennoch sind einige einordnende Bemerkungen angebracht.

 

Länder kommen ihren Verpflichtungen nicht nach

Es kann keinen Zweifel geben, dass tatsächlich vielen Kliniken die Insolvenz droht. Da wirken einige strukturelle Ursachen zusammen: Fast alle Häuser klagen über erhebliche Personalsorgen. Gleichzeitig gehen die Fallzahlen zurück. In Coronazeiten war das verständlich, aber die Zahlen erreichen das Vor-Corona-Niveau nicht mehr. Das hat deshalb gravierende Folgen, weil das gegenwärtige System darauf basiert, dass die Häuser ihr Budget im Wesentlichen aus den Fallpauschalen finanzieren. Der Druck, hier Einnahmen zu generieren, wird umso stärker, da die Bundesländer ihrer Verpflichtung nur sehr eingeschränkt nachkommen, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu übernehmen, wobei das Land Baden-Württemberg hier noch zu den weniger schweren Sündern zählt.

Das zeigt vor allem eines: Eine grundlegende Krankenhausreform, wie sie gerade von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entwickelt wird, ist nicht Auslöser eines drohenden Krankenhaussterbens. Sie ist im Gegenteil dringend notwendig, um ein unkontrolliertes Häusersterben zu vermeiden.

Eine solche Reform wäre übrigens auch in etwas entspannterer finanzieller Lage erforderlich, denn das Konzept der Finanzierung über Fallpauschalen hat eben auch für Patienten sehr bedenkliche Auswirkungen. Es führt dazu, dass sich auch kleinere Häuser mit wesentlich weniger Erfahrung an die Behandlung komplizierter – und gut vergüteter – Fälle trauen, für die ihre Kompetenz eigentlich nicht ausreicht. Im Klartext: Das gegenwärtige System der Klinikfinanzierung, das eine Spezialisierung der Kliniken erheblich erschwert, kann für Patienten lebensgefährlich sein.

Die notwendige Reform wird die Grundlagen für den beschleunigten Aufbau dieser für Patienten überaus sinnvollen Kompetenzzentren legen müssen – vor allem dadurch, dass die kleinen Häuser aus dem Hamsterrad aussteigen können, der das Generieren immer neuer Fälle verlangt. Die kleinen Häuser müssen sich entscheidend über Vorhaltepauschalen finanzieren können, die eine Grundversorgung in der Fläche dauerhaft gewährleistet. Wahr ist aber auch: Nicht jedes dieser Häuser wird für diese Grundversorgung gebraucht werden. Schließungen wären dann keine Katastrophe, sondern würden Kosten senken und Personal verfügbar machen.

Lauterbach ist in der Pflicht, den Kliniken zuzuhören

Das spricht – theoretisch – dafür, erst die Ausgestaltung der Reform abzuwarten, ehe man den Forderungen der Klinik nach schnellen Hilfen nachkommt. Dennoch haben die Krankenhausgesellschaften durchaus recht, wenn sie darauf hinweisen, dass es eben nicht nur systemische Gründe gibt, die für die alarmierende Lage mancher Einrichtungen verantwortlich ist. Es gibt zusätzliche von der Politik verursachte Sondereffekte: Dazu zählt der in den Kliniken zu spät ankommende Ausgleich für die steigenden Energiekosten, aber auch eine mutwillige Absenkung der Vergütung für die Fallpauschalen. Insofern ist Lauterbach sehr wohl in der Pflicht, den Kliniken auch vor der Großreform genau zuzuhören. Das kann auch Soforthilfen bedeuten, denn bedroht sind nicht nur kleinere Kliniken, die vielleicht ohnehin von der Landkarte verschwinden könnten.