Hebammen und Mütter haben in Leonberg gegen die drohende Schließung der Gynäkologie protestiert. Foto: Jürgen Bach/StZN

Dass ausgerechnet die SPD dem Kurs des Klinikverbundes folgt, erstaunt

Das lässt aufhorchen: Die Führungsspitze der Leonberger SPD-Fraktion im Gemeinderat lässt Verständnis erkennen, dass die Gynäkologie im heimischen Krankenhaus geschlossen werden soll. Ausgerechnet die Sozialdemokratinnen, möchte man in diesem Moment sagen. Jene Partei, die als erste für die Belange der Frauen, vor allem für das Recht der Frauen auf ihren eigenen Körper eingetreten ist, nimmt hin, dass eine wohnortnahe Frauenklinik mit hebammengeführter Geburtshilfe abgeschafft werden soll.

 

Was ist das? Einsicht in die dann doch vorhandene betriebswirtschaftliche Logik, wonach nicht an allen Standorten alles angeboten werden kann? Anerkennung der objektiv vorhandenen Personalnot im Klinikverbund, wie auch in nahezu allen Krankenhäusern des Landes? Oder am Ende Parteidisziplin? Karl Lauterbach, der ohnehin nicht eben beliebte SPD-Bundesgesundheitsminister, ein Verfechter von Großkliniken, soll nicht auch noch Gegenwind von der eigenen Basis bekommen.

Unter dem Strich dürfte es eine Mischung aus allem sein. Es ist ja wahr: Das Personalproblem ist gewaltig. Und für einen Gynäkologie mit Kreißsaal braucht es nun mal Hebammen, Schwestern und Ärzte. Zur Wahrheit gehört zudem, dass die Finanzsituation des Klinikverbundes, zu dem die Häuser in Böblingen, Calw, Herrenberg, Leonberg, Nagold und Sindelfingen gehören, katastrophal ist. Für das Geschäftsjahr 2022 wird ein Defizit von 50 Millionen Euro erwartet. Bei solchen Zahlen muss etwas geschehen. Letztlich dürfte die Partei bei den Erwägungen der Leonberger SPD auch eine Rolle gespielt haben, wenngleich Ottmar Pfitzenmaier für einen unabhängigen Geist fernab vorgegebener Parteilinien bekannt ist.

Wird es also so sein, dass in vier bis fünf Jahren in Leonberg keine Kinder mehr auf die Welt kommen? Ganz ausgemacht ist das noch nicht. Hört man sich unter medizinischen Fachleuten um, bekommt man eine andere Gleichung aufgemacht: Da das Leonberger Krankenhaus seinen Status als Basisversorger mit Zentraler Notaufnahme im Rund-um-die Uhr-Betrieb behalten soll, wäre also auch für die Gynäkologie ein medizinische Betreuung jederzeit gewährleistet.

Herrenberg droht der Verlust des Dauerbetriebs

Allerdings betrifft die Sorgen um die Geburtsstation ja nicht nur Leonberg, sondern auch Herrenberg. Hier sieht es noch ärger aus. Das gesamte Krankenhaus soll seinen Dauerbetrieb verlieren. Nachts ginge demnach dort nichts mehr, übrig bliebe eine erweiterte Ambulanz am Tage, die kleinere Operation durchführen kann. Mit einem richtigen Krankenhaus hat das nicht mehr viel zu tun. Das weiß auch Thomas Sprißler.

Nachdem aus der Stadt im Gäu jahrelang nichts zu hören war, wenn es um die Absicherung des Krankenhauses ging, hat der dortige Oberbürgermeister offenbar erst in der Zielgerade seiner Amtszeit seinen Widerstandsgeist entdeckt und zieht gegen das drohende Aus der eigenen Klinik zu Felde.

Insider befürchten nun, dass bei einem Weiterbestehen der Gynäkologie in Leonberg der Unmut in Herrenberg so groß werden könnte, dass die Turbulenzen den ganzen Klinikverbund erfassen. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen, kann aber kein Argument sein, die Bemühungen für die Erhaltung einer Frauenklinik mit einer vielversprechend gestarteten hebammengeführten Geburtshilfe einzustellen. Leonberg hat ein großes Umland und erreicht Patientinnen und Patienten, die sonst in Stuttgart, Ludwigsburg oder Pforzheim wären, nicht aber in einem Haus des Klinikverbundes Südwest.

Vielleicht sollte die Leonberger SPD noch einmal darüber nachdenken, dass es ja gerade die Frauen sind, deren sie sich besonders bemühen. Die politische Konkurrenz hat das längst erkannt.