Die Frauenklinik bleibt vorerst in Leonberg. Das ist eine gute Nachricht. Jetzt sollte sie noch stärker genutzt werden, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Es ist mehr als zehn Jahre her, da schlugen die Wellen im Klinikverbund Südwest hoch. Das damals beauftragte Gutachterbüro Teamplan sah für den Zusammenschluss der sechs Krankenhäuser in den Kreisen Böblingen und Calw nur ein Allheilmittel: Zentralisierung um jeden Preis. Nicht nur die Fusion der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen wurde damals empfohlen. Die anderen Häuser sollten auf einen Status besserer Ambulanzen gestutzt werden.
Während es in Herrenberg erstaunlich ruhig blieb, brach in Leonberg – man muss es so nennen – ein kleiner Aufstand aus. Es gab Demonstrationen, Diskussionen, wütende Proteste aus der Bevölkerung und der Kommunalpolitik. Umliegende Gemeinden solidarisierten sich mit „ihrem“ Krankenhaus. Der damalige Leonberger Oberbürgermeister Bernhard Schuler erwog einen Austritt aus dem Klinikverbund und führte Gespräche mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus.
Mit solchem Widerstand hatte der Böblinger Landrat Roland Bernhard nicht gerechnet. Er leitete einen Kurswechsel ein: Als Ende 2013 der langjährige Chefarzt der Unfallchirurgie, Peter Münst, in den Ruhestand ging, wurde seine Position entgegen der Befürchtungen mit dem Privatdozenten Michael Sarkar wiederbesetzt.
Er sollte nicht der letzte sein: Mit Barbara John kam eine renommierte Darmspezialistin nach Leonberg, der österreichische Bauchchirurg Wolfgang Steurer war ein weiterer prominenter Einkauf. Die Gynäkologie, jahrelang ohne echte Führung, bekam mit Monica Diac eine engagierte Chefin. Im Krankenhaus kehrte Ruhe ein, viele auswärtige Patienten konnten gewonnen werden.
70 Millionen-Defizit im Klinikverbund
Doch binnen zehn Jahren hat sich die Situation der Kliniken in Deutschland dramatisch verschlechtert. Heute sind Millionendefizite, Personalmangel, Reformen und Sanierungen die gängigen Schlagworte, geht es um die Versorgung kranker Menschen. Diese Entwicklung macht auch vor dem Klinikverbund nicht Halt. In diesem Jahr wird ein verbundweites Defizit von mehr als 70 Millionen Euro erwartet, vor zehn Jahren hatte der Landrat schon 22 Millionen mit Recht als zu hoch erachtet.
Es muss also etwas geschehen. Immer noch läuft der Trend zu Großkliniken, kleinere Krankenhäuser haben in den Augen des SPD-Gesundheitsministers Karl Lauterbach und der Krankenkassen ausgedient. Im Klinikverbund treiben zudem etliche Doppelstrukturen die Kosten nach oben.
Starke Standbeine in Leonberg
Vor diesem Hintergrund scheint das jetzt präsentierte neue Medizinkonzept für den gesamten Klinikverbund ein gangbarer Weg zu sein. Am Flugfeld entsteht ein starkes Krankenhaus mit allen Disziplinen. Leonberg hat mit seinem Schwerpunkt Bauch- und Darmchirurgie, Unfallchirurgie, einer stark frequentierten Zentralen Notaufnahme und der künftigen Altersmedizin mit allein 60 Betten starke Standbeine.
Auch das befürchtete sofortige Aus der Gynäkologie ist zumindest aufgeschoben. Fünf Jahre sind ein realistischer Zeitraum, um die Geburtenzahlen im hebammengeführten Kreißsaal signifikant zu steigern und das medizinische Profil zu schärfen.
Die Diskussionen der vergangenen Monate haben etliche Frauen verunsichert. Dabei leistet die Gynäkologie unvermindert gute Arbeit. Je mehr Frauen nach Leonberg kommen, desto größer sind die Chancen, dass es dauerhaft eine wohnortnahe wie kompetente Versorgung gibt – und auch in der Zukunft viele kleine Leonbergerinnen und Leonberger auf die Welt kommen.