78 Prozent der deutschen Krankenhäuser schrieben im vergangenem Jahr rote Zahlen. Der Trend wird sich 2024 verschärfen.
Die finanzielle Situation der Krankenhäuser in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr weiter verschärft. Schrieben im Jahr 2022 54 Prozent der Häuser rote Zahlen, beklagten in 2023 bereits 78 Prozent ein Defizit. Für dieses Jahr erwartet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), das vier von fünf Kliniken mit ihren Erlösen nicht mehr auskommen werden. Diese Zahlen nannte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, am Dienstag.
Die angespannte Lage spiegelt sich auch in der Entwicklung der Insolvenzen wider. Während 2022 sieben Standorte Insolvenz anmelden mussten, stieg die Zahl im abgelaufenen Jahr deutlich auf 34. Im Januar 2024 hat es bereits 6 weitere Insolvenzen gegeben. Gaß erwartet für dieses Jahr eine äußerst angespannte Lage für die Kliniken, da allein die Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst für die Krankenhäuser eine Steigerung der Personalkosten von zehn Prozent bedeute.
Der heißeste Kampfplatz der Politik
Diese Zahlen machen den Reformbedarf deutlich. Das Ringen um die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform ist aber derzeit der heißeste Kampfplatz der Politik. Der Minister räumt ein, dass mehr als hundert Häusern die Insolvenz drohe. Lauterbach glaubt dagegen aber schon Vorkehrungen getroffen zu haben. Das im Bundestag bereits verabschiedete Transparenzgesetz besteht aus zwei Teilen.
Erstens soll eine Online-Plattform geschaffen werden, die es Patienten möglich macht, schnell und übersichtlich Informationen zu Fallzahlen und Behandlungserfolgen jeder Klinik zu erhalten. Zweitens aber würden die Kliniken sechs Milliarden Euro kurzfristiger Liquiditätshilfen erhalten. Eine Summe, von der Lauterbach glaubt, sie reiche aus, um die Finanzierung der Häuser sicherzustellen. Da die Bundesländer aber massive Vorbehalte gegen den Transparenzteil des Gesetzes haben, liegt das ganze Paket derzeit im Bundesrat auf Eis.
Lauterbach will Kommunen gegen die Länder in Stellung bringen
Das war der Hintergrund für den Gipfel, den Lauterbach am Montag mit den kommunalen Spitzenverbänden abhielt. Zahlreiche Kommunen sind durch die notwendigen Stützungen für Kliniken in ihrer Trägerschaft stark belastet. Lauterbach erhoffte sich also von den Kommunen, Druck auf die Bundesländer auszuüben. Eine Hoffnung, die sich kaum erfüllte. Die Kommunen glauben durchaus nicht, dass das Geld aus dem Transparenzgesetz ausreicht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht das auch so. Vorstandschef Gaß sagte am Dienstag, 55 Prozent der Häuser antworteten bei einer Befragung, dass die Maßnahmen keinen relevanten Einfluss auf die Insolvenzgefährdung haben würden.
Das Ringen um das Transparenzgesetz ist aber nur das Vorgeplänkel zum eigentlich Kern aller Auseinandersetzungen: der eigentlichen Krankenhausreform. Herzstück der Lauterbach-Pläne ist die Einführung von Vorhalte-Pauschalen für Krankenhäuser, die unabhängig von den konkreten Fallzahlen gezahlt werden sollen. Damit sollen vor allem kleinere Häuser aus dem Zwang herauskommen, möglichst viele Fälle in möglichst kurzer Zeit zu behandeln und zudem auch gut vergütete, aber komplizierte Fälle zu behandeln, obwohl im Haus möglicherweise zu wenig Expertise dafür vorhanden sind.
Helfen die Vorhaltepauschalen?
Die DKG hat nun ein wichtiges neues Argument in die Debatte eingespeist. Sie bezweifelt, dass die Vorhaltepauschalen, so wie sie konzipiert sind, das angestrebte Ziel der Entökonomisierung des Klinikbetriebs überhaupt erreichen. Sie legten ein Gutachten vor, das zu den Ergebnis kommt, dass die Erlöse eines Krankenhauses auch weiterhin sehr stark von der Anzahl der behandelten Patienten abhängen würde.
Dass die Analyse die Reform an einem sehr empfindlichen Punkt angreift, zeigt die ausgesprochen rasche Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums, das umgehend mit einer Stellungnahme der Regierungskommission, die die Reform erarbeitet hatte, auf das Gutachten antwortete. Der Haupteinwand: Die Reform werde die gesamte Krankenhausstruktur grundlegend verändern, etwa durch Fusionen und das Entstehen von Zentren, die auf bestimmte Fallgruppen spezialisiert sind. Das Gutachten beachte diese Veränderungen nicht, sondern betrachte „statisch und unter der nicht realistischen Annahme, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland bis 2045 vollständig unverändert bleibt, einseitig nur die Vorhaltevergütung“.