Die Situation in einem Akutkrankenhaus ist für viele abschreckend. Foto: dpa

Eine Frau stirbt im Krankenhaus. Ihr Partner wirft den Verantwortlichen unterlassene Hilfeleistung vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Doch im Kern geht es um mehr.

Ludwigsburg - Eine Pflegerin betritt das Krankenzimmer, tauscht die Infusion und verlässt das Zimmer wieder, ohne auch nur ein Wort mit der im Bett liegenden Patientin, einer 79 Jahre alten Frau, gesprochen zu haben. Die Seniorin bekommt in der Nacht einen Schlaganfall, der erst am nächsten Tag entdeckt wird. Im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts im Klinikum Ludwigsburg infiziert sich die Frau mit multiresistenten Keimen. Sie liegt isoliert, ihr über Stunden einzig möglicher Blick nach draußen ist ihr durch eine Milchglasscheibe verwehrt.

So schildert Gert Hermann, was er während des Aufenthalts seiner Lebenspartnerin im Ludwigsburger Krankenhaus erlebte. Unmenschlich sei dies gewesen. Die Situationen haben sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. „Der Bürger gibt an der Tür seine Würde ab“, sagt der Senior ebenso verärgert wie betrübt.

Anklagebehörde ermittelt

In den folgenden Wochen wird seine Partnerin kurzzeitig in die Schmieder Klinik nach Gerlingen verlegt. Dort, in der Rehaklinik, sei sie gut und freundlich umsorgt worden, sagt Hermann.

Doch der Gesundheitszustand der Frau ist offenbar so schlecht, dass sie abermals operiert werden muss. Kurze Zeit später stirbt die Frau. Gert Hermann erstattet Anzeige gegen das Ludwigsburger Klinikum wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung. „Ich behaupte, eine gezielte Überwachung der Patientin, und zwar Tag und Nacht, hätte den ganzen Leidensweg und damit die verheerenden Schädigungen unmöglich gemacht.“

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Heiner Römhild, bestätigt den Eingang der Anzeige. Die Behörde ermittelt. „Wir haben die Krankenakten sichergestellt und prüfen die erhobenen Vorwürfe.“ Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte den Leichnam und ordnete eine Obduktion an zur Klärung der Todesursache. Obduktionen gibt es laut der Anklagebehörde „prozentual im einstelligen Bereich“ bezogen auf alle Todesermittlungsverfahren.

Die Ludwigsburger Klinik äußert sich nicht. „Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, geben wir zu laufenden Verfahren keine Auskunft“, sagt deren Sprecher Alexander Tsongas. Zu Einzelfällen äußere sie sich ohnehin nie. Tsongas verweist auf die Beschwerdemanagementstelle im Haus. Diese nehme auch Kritik an, setze sich mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen auseinander. Das könne auch ein Gespräch mit dem betreffenden Arzt oder Pfleger bedeuten. Aber „nicht jeder nimmt diese Möglichkeit wahr“, bedauert der Kliniksprecher.

Unterschiede zwischen den Einrichtungen

Sich an die Klinik zu wenden, sei für ihn keine Option gewesen, entgegnet Hermann – so unfreundlich wie er und seine Partnerin dort behandelt worden seien. Dass man auch anders mit Patienten umgehen könne, hätte er schließlich in den Schmieder Kliniken erlebt, sagt er.

Doch sowohl das Ludwigsburger Krankenhaus als auch die Schmieder Kliniken lassen den Vergleich nicht gelten. Bei der Ludwigsburger Einrichtung handle sich um ein „Akutkrankenhaus mit hohem Notfallanteil“, sagt Tsongas. Die Situation, in der sich Patienten und Angehörige befänden, sei „alles andere als geplant“. Das wirke sich auch auf die Betroffenen aus, auf die individuelle Situation sowie auf die Erwartungshaltung. „Man kann uns nur mit einem Akutkrankenhaus vergleichen.“

Dort gelten zum Beispiel Vorgaben für das Personal. Auf der Intensivstation darf eine Pflegekraft in der Tagesschicht nicht mehr als zwei Patienten betreuen, in der Nachtschicht nicht mehr als drei. „Wir werden den Anforderungen der Verordnung gerecht“, sagt Tsongas. Seit Jahresbeginn gelten die Regelungen bundesweit in vier pflegeintensiven Krankenhausbereichen – darunter Unfallchirurgie und Intensivmedizin.

Rehakliniken hingegen unterliegen laut dem baden-württembergische Sozialministerium keiner staatlichen Planung. Sie entscheiden demnach in eigener unternehmerischer Freiheit. Auch die Schmieder Kliniken stünden im Wettbewerb zu anderen Rehakliniken, bestätigt der Geschäftsführer Paul-Georg Friedrich-Schmieder.

Hermann fordert ein Umdenken

Die Klinikmanagerin des Standorts in Gerlingen verweist auf den Unterschied für alle Beteiligten: „Die Aufnahme in eine Rehabilitationseinrichtung bedeutet für die Patienten und Angehörigen in erster Linie Hoffnung. Hoffnung darauf, dass das Schlimmste überstanden ist, und Hoffnung auf Genesung.“

Gert Hermann ist sich des Unterschieds wohl bewusst. „Das mag durchaus sein, dass man die beiden Häuser nicht miteinander vergleichen kann. In Ludwigsburg hat das Menschliche gefehlt.“ Und das habe nichts damit zu tun, ob es sich um eine Rehaklinik oder ein Akutkrankenhaus handle. „Vielleicht“, fügt er an, „muss man das einmal sagen, damit ein Umdenken stattfindet“.