Foto: Stadtmessungsamt/Grafik: Lange

Von Sommer 2013 an lässt die Stadt auf dem Gelände der einstigen Gaskokerei Gaisburg den Boden von Altlasten reinigen. Rund 94 000 Tonnen vergiftetes Erdreich werden in den nächsten drei Jahren entfernt.

Stuttgart - Die älteren Einwohner Gaisburgs erinnern sich noch gut an die riesige Kokerei unten am Neckar, in der bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts Kohle zu Stadtgas verarbeitet wurde. Nicht nur gewaltige Dampf- und Abgasschwaden entwichen von der Anlage in den Himmel über Stuttgart. Die Stadtgasproduktion im Kraftwerk Ost in Gaisburg verursachte auch Schlacke und Schlämme, in denen hochgiftige chemische Substanzen wie Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Naphtalin und Toluol enthalten sind.

Derartige Verbindungen, die als krebserregend oder erbgutschädigend gelten, beschäftigen seit Jahren die Umweltschützer von Stadt und Land. Denn die Abfälle wurden seit Beginn der städtischen Gasproduktion im Jahr 1899 bis zum Betriebsende der Kokerei Anfang der 70er Jahre „relativ unbekümmert“, so Ministerialdirektor Helmfried Meinel vom Landesumweltministerium, an Ort und Stelle „entsorgt“.

Schlacke und später auch unsortierter Bauschutt landeten in einer alten Kiesgrube auf dem östlichen Kraftwerkgelände östlich der Talstraße. Im Lauf der Zeit häufte sich so eine gewaltige Giftdeponie mit 9000 Quadratmeter Grundfläche an, wie jüngste Erkundungen auf dem heute vom Energiekonzern EnBW als Kohlelager genutzten Gelände ergaben. Da der inzwischen verfestigte Chemiecocktail unter freiem Himmel lagert, schließen Fachleute nicht aus, dass seit Jahrzehnten Giftstoffe versickern – und zwar in darunter liegende Erdschichten, die Grund- und Mineralwasser führen. Das Kraftwerkgelände liegt in der Kernzone des Stuttgarter Heilquellenschutzgebiets.

Gering belasteter Aushub wird wiederverendet

Von Sommer 2013 an soll der knapp ein Hektar große Deponiebereich dies- und jenseits der Kohlebandbrücke ausgeräumt werden. Der Aufwand ist gewaltig: „Rund 94 000 Tonnen kontaminiertes Erdreich müssen bis zu einer Tiefe von rund acht Metern vom Boden abgehoben werden“, schildert Umweltbürgermeister Matthias Hahn die Vorgehensweise.

Dazu werden mehreckige Stahlverschalungen wie Bienenwaben nebeneinander in den Boden gerammt. Bagger buddeln anschließend das verseuchte Erdreich darin aus. Danach werden die Wabenlöcher mit sauberem Material wieder verfüllt.

Fachleute rechnen damit, dass nur knapp 9000 Tonnen des Aushubs so gering belastet sind, dass sie beispielsweise im Straßenbau wieder verwertet werden können. Der große Rest muss auf Sondermülldeponien entsorgt oder aber in speziellen Giftmüllöfen verbrannt werden. Mit Kosten von voraussichtlich 11,62 Millionen Euro fällt die Altlastensanierung entsprechend teuer aus.

Das heutige Kohlelager ist nicht die einzige Problemstelle in Gaisburg

„Da das Gaswerk in städtischer Hand war, sind wir zur Sanierung verpflichtet“, erläutert Bürgermeister Hahn, warum die derzeitige Grundstücksbesitzerin EnBW außen vor bleibt. Das Land unterstützt die Stadt jedoch mit einem Förderzuschuss in Höhe von rund 8,6 Millionen Euro aus dem kommunalen Altlastenfonds. „Ohne weiteres Zutun würde sich langfristig das Gefährdungsrisiko für das Stuttgarter Heil- und Mineralwasservorkommen erhöhen“, erklärt Ministerialdirektor Meinel bei der Übergabe des Förderbescheids. Dabei handelt es sich um die derzeit größte Einzelförderung im landesweiten Programm für die Altlastensanierung.

Das heutige Kohlelager ist nicht die einzige Problemstelle in Gaisburg. Dem aktuellen Projekt soll in unmittelbarer Nachbarschaft ab 2015 ein dritter und letzter Abschnitt mit voraussichtlichen Kosten von 4,6 Millionen Euro folgen. Außerdem wurde vor drei Jahren im alten Gaswerk auf der nordwestlichen Seite der Talstraße schon mit der Sanierung von Boden und Grundwasser begonnen – direkt neben dem Gaskessel. Voraussichtliche Kosten dort: rund 30 Millionen Euro.