Tattoos? Beim Angeklagten Fehlanzeige. Foto: Pixabay

Wegen Zweifeln, ob der Angeklagte überhaupt als Täter in Frage kommt, gibt es am Amtsgericht einen Freispruch.

Kornwestheim - Das Amtsgericht Ludwigsburg hat einen 30-Jährigen vom Vorwurf des Betrugs und Wuchers freigesprochen. Die Zweifel, dass der Angeklagte aus Essen überhaupt der gesuchte Übeltäter ist, konnten im Laufe der Verhandlung nicht aus dem Weg geräumt werden.

„Das ist schon eine ganz schöne Sauerei“, sagte die Richterin im Laufe der Verhandlung am vergangenen Freitag. Ein vermeintlich falscher Rohrreiniger hatte im April vergangenen Jahres einem Kornwestheimer eine überteuerte Rechnung ausgestellt. Für das Entfernen einer Verstopfung in einer Wohnung in der Johannesstraße hatte der Mann rund 1400 Euro von dem Bewohner bei einer Arbeitszeit von rund einer halben Stunde verlangt und damit deutlich mehr als für die Arbeit angemessen. Dennoch bezahlte der Wohnungsmieter die geforderte Summe in bar. Der nächste Schreck ließ nicht lange auf sich warten: Wenige Tage später trat die Verstopfung erneut auf. „Die Arbeit wurde nicht sachgemäß erledigt“, urteilte der Mitarbeiter einer Fachfirma, der die Verstopfung daraufhin entfernt hatte. Zudem sei der abgerechnete Preis trotz eines Spätzuschlags völlig überzogen, sagte der Handwerker als Zeuge vor Gericht.

Die Rechnungssumme kommt dem Geschädigten „etwas teuer“ vor

Weil der 46-jährige Wohnungsmieter ebenfalls Zweifel an der Seriosität des Rohreinigers hatte, ging er zur Polizei. „Das kam mir am nächsten Tag doch etwas teuer vor“, sagte er, „Auch die Rechnung sah komisch aus.“ Denn darauf waren zwar die Leistungen samt Kosten aufgelistet, die Kontaktdaten des angeblichen Rohrreinigers fehlten aber. Auch eine Telefonnummer gab es nicht. Der Grund: Der falsche Handwerker wurde von zwei Installateuren, die der Vermieter des 46-Jährigen nach dem Entdecken der Verstopfung gerufen hatte, vermittelt und kontaktiert. Und auch die Installateure waren später nicht mehr erreichbar.

So ging die Suche nach dem Übeltäter im Bietigheimer Polizeirevier weiter. Nach der Beschreibung des Handwerkers – schwarze kurze Haare, athletische Figur – bekam der Kornwestheimer Porträtbilder vorgelegt und machte den Essener auf einem davon aus. „An Gesichter kann ich mich immer erinnern. Ich bin mir sicher, dass es dieser Mann ist“, sagte er im Gerichtssaal und zeigte auf den Angeklagten. Die Beschreibung passte. Doch dann stockte die Erinnerung des Geschädigten. Ob er sich an Details erinnern könne, fragte ihn die Richterin. „Eine Äußerlichkeit oder wie er gesprochen hat.“ Nach kurzem Überlegen schüttelte er den Kopf und gab an, sich nicht mehr erinnern zu können.

Der Angeklagte war laut eigener Aussage noch gar nie in Kornwestheim

Doch eben diese Details hatte der Verteidiger des Beschuldigten zuvor in den Mittelpunkt gerückt. Der Essener hatte in seiner Aussage beteuert, mit der Sache überhaupt nichts zu tun zu haben. „Ich war noch nie dort. An dem Tag nicht und davor auch nicht“, sagte er. Um die Aussage seines Mandanten zu stützen, las der Rechtsbeistand aus den Angaben vor, die der Geschädigte bei der Polizei gemacht hatte. „Der Mann war am Arm stark tätowiert“, zitierte der Verteidiger, „Er hat gebrochenes Deutsch gesprochen. Mit einem türkischen Akzent.“ Daraufhin bat er seinen Mandanten, seine Jacke aus- und seine T-Shirt-Ärmel hochzuziehen. Statt bunten Motiven präsentierte der Mann zwar kräftige, aber nicht tätowierte Arme. „Und wie sie hören, spricht er ohne Akzent, höchstens mit einem leichten Ruhrpottdialekt“, fügte er hinzu.

Die Erinnerungslücken des Geschädigten und die fehlenden Tattoos ließen Zweifel aufkommen, ob der Mann, der die überteuerte und schlampige Rohrreinigung gemacht hat, derselbe ist wie der auf der Anklagebank. Diese hatte auch der Staatsanwalt: „Das lässt sich nicht zweifelsfrei beweisen. Deshalb ist der Angeklagte freizusprechen.“ Die Richterin folgte bei ihrem Urteil der Forderung und vermutete: „Der falsche Rohrreiniger ist wohl noch unterwegs und macht mit dem Betrug für gutes Geld weiter.“