Alkohol belastet Familien. Foto: dpa

Für den Nachwuchs suchtkranker Eltern gibt es nun ein neues Angebot in der Stadt.

Kornwestheim - Wenn Vater oder Mutter häufig zur Flasche greifen, dann leiden vor allem die jüngsten Familienmitglieder. Bundesweit haben etwa drei Millionen Kinder einen suchtkranken Elternteil, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Auf den Kreis Ludwigsburg heruntergerechnet, geht man demnach hierzulande von Tausenden betroffenen Kindern und Jugendlichen aus. Derzeit läuft eine Aktionswoche, um auf deren Situation hinzuweisen. In Kornwestheim wurde für sie nun ein neues Angebot gestartet.

„Die Zahl der Betroffenen ist sehr groß. Weil man diese Kinder häufig vergisst, ist es wichtig, auf sie aufmerksam zu machen“, erklärt Janika Binder, Sozialarbeiterin beim Kreisdiakonieverband Ludwigsburg. Neben den bekannten Fällen gebe es eine hohe Dunkelziffer.

Vor allem der Alkohol spielt in den betroffenen Familien eine große Rolle. Weit verbreitet ist allerdings auch die Spielsucht. „Dabei glauben die Eltern oft, dass die Kinder es nicht mitbekommen. Dem ist aber nicht so“, weiß Binder aus Erfahrung.

Wenn Vater oder Mutter an einer Sucht leiden, fallen die Bedürfnisse der Kinder oft unter den Tisch. Sie erhalten kaum Aufmerksamkeit, fühlen sich sogar für die Eltern verantwortlich und übernehmen früh Aufgaben innerhalb der Familie. Nicht selten kommt es daher zu Verhaltensauffälligkeiten. „Wie die Kinder reagieren, ist unterschiedlich und hängt davon ab, wie sie mit Problemen umgehen“, erläutert Binder. Während einige besonders gut in der Schule sind und Vorzeigekinder sein wollen, um das Manko im Elternhaus auszugleichen, fallen andere in die Rolle des Clowns oder werden zum „schwarzen Schaf“. Nicht immer ist es leicht zu erkennen, was hinter dem Verhalten der Kinder steckt. Manchmal sind es nur kleine Hinweise, die verraten, dass zu Hause nicht alles so ist, wie es sein sollte. Dann werden Lehrer, Erzieher, Jugendhilfe und andere Stellen hellhörig und vermitteln an die Suchtberatungsstelle. Zum Teil sind die Suchtkranken jedoch einsichtig und bitten selbst um Hilfe.

Der Kreisdiakonieverband Ludwigsburg bietet bereits seit Längerem neben Einzelgesprächen auch Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche suchtkranker Eltern (KisEl). In Bietigheim–Bissingen gibt es jeweils eine Gruppe für Kinder und für Jugendliche, die sich an Intensivtagen am Wochenende und während spezieller Freizeiten trifft. Jetzt wird erstmals auch in Kornwestheim ein KisEl-Angebot gemacht.

Neu ist die sogenannte Trampolingruppe, die nichts mit Sport im eigentlichen Sinne zu tun hat. Vielmehr handelt es sich um ein regelmäßiges, wöchentliches Kurzintensivprogramm für Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren. Es wird von Janika Binder geleitet, die dafür eine Fortbildung absolviert hat.

An zehn zweistündigen Terminen stehen mehrere Aspekte der Sucht im Vordergrund. Die Kinder sollen dabei verstehen, was eine Suchtkrankheit ist, wie sie in ihrer Situation gut für sich selbst sorgen können, wo sie Unterstützung finden und wie sie psychisch mit der Erkrankung der Eltern umgehen können. Die jungen Teilnehmer bekommen die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Sie erfahren, dass sie nicht schuld an der Sucht ihrer Eltern sind. Darüber hinaus lernen sie Techniken, um sich zu entspannen. Neben den Gesprächen bleibt auch Zeit für Spiele und Aktionen. „Die Teilnehmer sollen schließlich noch mal Kind sein dürfen“, sagt Binder. Das neue Angebot zielt nicht nur darauf ab, Kinder in ihrer aktuellen Situation zu helfen und sie zu stärken. Es dient auch der Prävention, denn nicht selten wird der Nachwuchs von Alkohol- und Drogenabhängigen später selbst süchtig. „Sie gelten daher als Hochrisikogruppe und sind sechsmal anfälliger als andere“, erklärt die Sozialarbeiterin.