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Wegen des Handels mit Marihuana in 28 Fällen muss ein 27-jähriger Kornwestheimer ins Gefängnis. Der Staatsanwalt hatte fünf Jahre Haft beantragt.

Kornwestheim - Es war ein emotionales Prozessende: Zu drei Jahren Haft verurteilte die Achte Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart einen 27-jährigen Kornwestheimer – wegen unerlaubtem Handels mit Betäubungsmitteln in 28 Fällen. Mehr als vier Stunden hatte das Gericht zuvor getagt und bis zuletzt versucht, Licht ins Dunkel sich widersprechender Zeugenaussagen zu bringen. Als Richter Christian Klotz das Urteil sprach, schüttelte der Angeklagte nur noch traurig den Kopf und bat schließlich darum, seine Mutter noch einmal umarmen zu dürfen. Klotz gewährte ihm den Wunsch.

Vor allem die Aussagen des 23 Jahre alten Hauptzeugen hatten Fragezeichen aufgeworfen. Bei seiner Festnahme Ende April 2017 hatte er den Angeklagten schwer belastet. Immer wieder habe er von diesem größere Mengen Marihuana gekauft, hatte er gegenüber der Kornwestheimer Polizei ausgesagt, auch von einem weiteren Käufer war die Rede. Unterm Strich habe der Angeklagte rund 16,5 Kilogramm veräußert, führte Staatsanwalt Heibel in seinem Plädoyer aus. Er bezifferte den Wert des Rauschgifts auf rund 120 000 Euro.

Das Problem bei der Beweisführung: Einige Tage nach der Aussage hatte der 23-jährige Hauptzeuge all das widerrufen, was er zuvor gesagt hatte. Einer fingierten Übergabe zwischen ihm und dem Angeklagten, die die Polizei beobachten wollte, hatte er zunächst zugestimmt – und dann doch sein Einverständnis zurückgezogen. Aus diesem Grund hatte das Gericht erneut den Staatsanwalt, der anfänglich die Ermittlungen geführt hatte, sowie die Kornwestheimer Beamten, die mit dem Fall betraut waren, geladen. Auch ein medizinisch-forensischer Sachverständiger war eingeschaltet worden. Er legte sein Gutachten vor und bescheinigte dem Angeklagten, nicht abhängig und im Großen und Ganzen gesund zu sein.

Nicht richtig geklärt werden konnte aber bis zum Prozessende, was genau dem 23-Jährigen von den Ermittlern für seine Mitarbeit zugesagt worden war – etwa, wie sicher er mit seiner Kooperation der U-Haft entgehen könne. Ein 50 Jahre alter Polizeikommissar aus Kornwestheim hatte an einem früheren Prozesstag ausgesagt, sich gar nicht an Gespräche über die Scheinübergabe zu erinnern. Mittlerweile konnte er sich doch an Absprachen erinnern, ohne deren genauen Verlauf noch nachvollziehen zu können.

An der Stelle setzte dann auch die Verteidigung des Anwalts Sebastian Dzuba an. Er kritisierte den Beamten im Zeugenstand. „Hier steht viel auf dem Spiel, sie haben als Polizeibeamter eine Wahrheitspflicht vor Gericht“, sagte er. Der Anwalt stellte die Frage in den Raum, ob die bereits widerrufenen Aussagen des 23-jährigen Hauptzeugen glaubwürdig seien. In seinem Schlussplädoyer wies Dzuba auf aus seiner Sicht weitere Unstimmigkeiten hin: Etwa wurde ein Auto, das angeblich bei den Übergaben zum Einsatz gekommen sei, nirgendwo aufgefunden. Der Verteidiger räumte ein, dass seinem Mandanten ein einzelner Fall – der Besitz von rund 1400 Gramm Marihuana – zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. In den anderen Fällen aber sei die Beweislage nicht ausreichend.

Der Staatsanwalt beantragte fünfeinhalb Jahre Haft, der Verteidiger hielt ein Jahr und sieben Monate Gefängnis für ausreichend. Das Gericht entschied sich in etwa für die Mitte und verhängte drei Jahre. Der Richter betonte in seiner Urteilsbegründung, der 23-jährige Hauptzeuge sei mit seiner ersten Aussage glaubwürdig, weil er die Fälle anfangs detailliert und genau beschrieben habe. Vor allem habe dieser keinen Grund gehabt, den 27-Jährigen einfach so zu belasten. „Das kann sich niemand so schnell ausdenken.“