Im Bundestag sitzt der aus Backnang stammende Abgeordnete Steffen Bilger seit 2009. Die Menschen interessieren sich wieder mehr für Politik, ist seine Erfahrung: „Ich bekomme so viele Mails und Briefe wie nie zuvor“, erzählt der 37-Jährige. Foto: Werner Waldner


Im Gespräch ist Steffen Bilger, Bundestagesabgeordneter der CDU für den Wahlkreis Ludwigsburg.

Kornwestheim - Dreimal schauen wir in diesen Sommerferien über den Tellerrand hinaus und fragen die Abgeordneten aus den hiesigen Wahlkreisen, welche Themen sie beschäftigten. Heute steht Steffen Bilger Rede und Antwort, Bundestagsabgeordneter der CDU.

Herr Bilger, Sie haben sich mit Erfolg um eine erneute Nominierung als CDU-Bundestagskandidat beworben. Die Aufgabe in Berlin scheint nicht ohne Reiz zu sein.
Diese Aufgabe macht mir auf jeden Fall große Freude, auch wenn es schon einmal einfachere Zeiten gab. Unsere Tätigkeit ist unheimlich vielfältig. Wir haben in Berlin mit fast jedem Thema zu tun, das man sich vorstellen kann. Gleichzeitig bekomme ich aus dem Wahlkreis viele Rückmeldungen, die ich in Berlin einbringe.
Worauf könnten Sie gut und gerne auch verzichten in diesem Amt?
Das Hin und Her, dieser ständige Wechsel zwischen Berlin, wo ich auch eine Wohnung habe, und Ludwigsburg – das ist schon recht gewöhnungsbedürftig. Aber es gehört dazu, weil in Berlin nun einmal das Parlament ist und wir auf der anderen Seite die Verwurzelung im Wahlkreis brauchen.
Sie sind junger Vater: Wie viel Familie erlaubt das Mandat?
Das ist wirklich eine Herausforderung. Ich bemühe mich, in den Zeiten, in denen ich in Ludwigsburg bin und nicht in Berlin sein muss, wirklich für die Familie da zu sein und mitzuerleben, wie sich unser Sohn entwickelt. Ich bin aber in die Politik gegangen, weil ich etwas Gutes bewegen will – und insofern mache ich das alles auch für meinen Sohn. Ich will, dass auch er eine gute Zukunft hat.
Sie sind der E-Mobilität-Experte Ihrer Fraktion. Wie sieht’s mit Ihrer eigenen E-Mobilität aus?
Ich bin ein gutes Beispiel für die Anlaufschwierigkeiten der Elektromobilität. Wir haben nur ein Auto, und ich habe öfter auch weitere Strecken zu bewältigen. Dafür sind die meisten Elektroautos noch nicht weit genug. Sollten wir uns einmal entscheiden, ein zweites Auto anzuschaffen, dann wird das auf jeden Fall ein Elektroauto. Für den Fahrdienst des Bundestags in Berlin haben wir immerhin erreicht, dass Elektroautos eingesetzt werden.
Die Kaufprämie für die E-Autos wird nur sehr zögernd in Anspruch genommen. Woran hapert es?
Ich fühle mich jetzt schon bestätigt, weil ich immer dafür geworben habe, das Geld für andere Fördermaßnahmen auszugeben. Wobei: Die Kaufprämie hat in jedem Land, in dem sie beschlossen wurde, funktioniert. Wir müssen dem Ganzen ein bisschen Zeit geben. Es müssen mehr Modelle, insbesondere günstigere, auf den Markt kommen, so dass der Anreiz größer wird, sich fürs Elektroauto zu entscheiden.
Hans-Michael Gritz, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kornwestheimer Gemeinderat, hat jüngst im Sommerinterview die Kaufprämie kritisiert. Sie komme nicht den Menschen zugute, die eigentlich auf die Kaufprämie angewiesen seien. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Ein Aspekt ist mir bei seiner Aussage zu kurz gekommen: Es geht bei der Elektromobilität und den ganzen Fördermaßnahmen um viele Gesichtspunkte. Einer davon ist der Umweltschutz, ein anderer sicherlich, wie man die Käufer unterstützen kann, es geht uns mit der Kaufprämie aber auch um Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Im Landkreis Ludwigsburg setzen die vielen Zulieferer alle auf die Elektromobilität. Deshalb sollte es eigentlich auch ein klassisches SPD-Anliegen sein, die Elektromobilität voranzutreiben. Wenn die Elektroautos alle nur noch aus den USA, China oder Japan kommen würden, dann hätten wir in Deutschland ein Problem.
Was können die Kommunen tun, um E-Mobilität zu fördern?
In der Strategie der alle Beteiligten umfassenden Nationalen Plattform Elektromobilität gehen wir davon aus, dass sich anfangs vor allem Unternehmen und die öffentliche Hand für Elektroautos entscheiden. Ich fände es gut, wenn die Kommunen ein gutes Beispiel geben würden. Gerade bei ihnen macht die Nutzung Sinn, weil häufig kürzere Strecken zurückgelegt werden, weshalb es für Kommunen auch ein eigenes Förderprogramm gibt. Mit dem Elektromobilitätsgesetz haben wir zudem die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kommunen kostenlose Parkplätze zur Verfügung stellen können. Wir haben auch ermöglicht, dass Elektroautos Busspuren benutzen dürfen. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die bewusst auf die Kommunen abzielen.
Ist es richtig, dass der Staat so sehr in den Markt eingreift, um ein Thema voranzubringen?
Wir beobachten, dass einige Länder in Europa ohne eigene Autoproduktion wie Norwegen oder die Schweiz bei der Anwendung der Elektromobilität viel weiter sind. Ich glaube trotzdem, dass wir auf lange Sicht mit den deutschen Autoherstellern, die die Vorzüge der Elektromobilität nun erkannt haben und in die Umsetzung gehen, im Vorteil sind. Aber zunächst einmal war die Politik gefordert, das Thema Elektromobilität anzuschieben, um als Autoland Deutschland den Anschluss nicht zu verlieren. Wir müssen den Anspruch haben, in allen Bereichen im Automobilsektor auch in der Zukunft an der Spitze zu sein.
Sind Sie mit dem zufrieden, was die Automobilindustrie für die E-Mobilität tut?
Es könnte schon noch mehr passieren. Ich finde es beispielsweise ärgerlich, dass der Elektro-Smart, der ja schon erfolgreich auf dem Markt war, mit dem neuen Modell ausgesetzt wurde und erst im kommenden Jahr wieder angeboten wird. Ich höre schon, dass in den Reden der Vorstandsvorsitzenden die Elektromobilität nun stark betont wird, in der konkreten Umsetzung muss sich aber noch mehr tun. Wenn ein Kunde ins Autohaus geht, sollte er auch auf Elektroautos hingewiesen werden. Auch was die Werbung in Zeitungsanzeigen oder Fernsehspots betrifft, ist die Automobilindustrie bei der E-Mobilität zu zurückhaltend.
Wann sind wir in Deutschland so weit, dass die öffentliche Hand nicht mehr unterstützend eingreifen muss?
Für uns ist klar, dass die Förderung begrenzt ist und nur als Anschub dient. Unser Ziel ist es, dass wir bis 2020 eine Million Elektro-Autos auf Deutschlands Straßen haben, was bei aktuell rund 45 Millionen Fahrzeugen immer noch ein relativ kleiner Anteil ist. Wenn wir diesen Schritt erreicht haben, dann kann das Thema ins Rollen kommen, dann entsteht ein Gebrauchtwagenmarkt, die Autos werden besser, die Reichweite auch, die Preise sinken. Und dann sollten wir auch ohne staatliche Unterstützung auskommen.
2020, eine Million Autos – ist das realistisch?
Ich würde meine Hand dafür angesichts der aktuellen Zahlen nicht ins Feuer legen. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Marktes spielt auch der Benzinpreis. Wir haben zurzeit sehr günstige Preise. Steigen die Preise an, dürfte es auch mehr Elektroauto-Verkäufe geben.
Lassen Sie uns zur noch herkömmlichen Mobilität kommen: Sie sind stellvertretendes Mitglied im Abgasuntersuchungsausschuss. Was kann so ein Ausschuss bringen?
Auch wenn ich nur stellvertretendes Ausschussmitglied bin, so ist es doch eine spannende Aufgabe. Wir wollen bis zum Ende der Legislaturperiode die Arbeit abgeschlossen haben. Wir haben uns viele Zeugenbefragungen und Aufklärungsarbeit vorgenommen. Die Opposition wird versuchen, die Verantwortung für den Abgasskandal in Richtung Bundesregierung zu schieben. Für uns steht das Aufklärungsinteresse im Vordergrund. Die Betrügereien durch die Automobilhersteller sind wirklich skandalös. Die Politik muss deutlich machen, dass so etwas inakzeptabel ist und sich nie wiederholen darf.
Ist es Ihr erster Untersuchungsausschuss?
Ja, und ich bin sehr gespannt darauf.
Der Nordostring ist im Bundesverkehrswegeplan nur unter ,weiterer Bedarf’ eingestuft worden. Es wird dafür zunächst kein Geld zur Verfügung gestellt. Kornwestheim atmet auf, Steffen Bilger vermutlich nicht.
Zugegeben: das ist für mich ein schwieriges Thema, weil es im Wahlkreis unterschiedliche Interessenlagen gibt. Ich finde es aber richtig, dass der Nordostring im Bundesverkehrswegeplan, der übrigens vom Bundestag noch beschlossen werden muss, steht. Ich fand den Ansatz der früheren Verkehrsministerin Tanja Gönner richtig, die betroffenen Kommunen und die Abgeordneten an einen Tisch zu holen und zu überlegen, wie man einen gemeinsamen Weg finden kann. Ein solches Projekt kann man nicht gegen den Widerstand einer ganzen betroffenen Gemeinde durchsetzen. Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen am Ende darauf verständigt, dass es, wenn wir die Verkehrsprobleme gerade in der Region Stuttgart lösen wollen, nicht ohne Aus- und Neubau von Straßen gehen kann. Deshalb ist es richtig, dass der Nordostring im Bundesverkehrswegeplan mit einer Planungsperspektive vertreten ist.
In Kornwestheim ist auch Ihre Partei gegen den Nordostring. Warum überzeugen Sie deren Argumente nicht?
Ich sehe die Situation im gesamten Landkreis und in der Region Stuttgart. Und ich sehe die Situation der Pendler, die regelmäßig im Stau stehen. Wenn wir die Stauprobleme lösen wollen, wird es nicht ohne Aus- und Neubau gehen.
Wie fühlt es sich an, im Land Juniorpartner zu sein?
Das ist immer noch gewöhnungsbedürftig, auch wenn wir schon fünf Jahre die ebenfalls ungewohnte Oppositionsrolle hinter uns haben. Aber so haben es die Wähler nun mal entschieden.
Wären Sie lieber in der Opposition geblieben?
Wir sind eine Partei, die sich ihrer Verantwortung stellt. Es ist besser für Baden-Württemberg, wenn die CDU an der Regierung beteiligt sind als wenn es irgendeine andere Regierungskoalition geben würde.
Schwarz-Grün ein Modell für Berlin?
Es ist noch gut ein Jahr bis zur Bundestagswahl, aber es wird schon viel über Koalitionsperspektiven diskutiert. Große Koalition auf Dauer ist nicht gut, die SPD ist darauf auch nicht erpicht, es fortzuführen. Vielleicht kommt die FDP zurück. Man muss auf jeden Fall offen sein für auch andere, im Bund ungewöhnliche Koalitionsmodelle. Schwarz-Grün gehört auf jeden Fall dazu.
Eine Koalition mit der AfD ist zu ungewöhnlich?
Das kommt für uns nicht in Frage – allein schon mit dem Blick auf die Verhältnisse in Baden-Württemberg. Die AfD ist eine Protestpartei. Wenn wir die bestehenden Probleme in Deutschland in den Griff bekommen, gibt es weniger Gründe diese Partei zu wählen. Daran arbeiten wir.
Insgesamt scheint das Interesse an Politik gestiegen zu sein. Spüren Sie das auch so?
Das haben wir schon im Landtagswahlkampf gespürt. Viele Veranstaltungen waren so gut besucht wie schon lange nicht mehr. Ich bekomme so viele Mails und Briefe von Bürgern wie noch nie in den sieben Jahren, die ich dem Bundestag angehöre. In Schulen führe ich gute Diskussion und merke, dass die jungen Menschen an Politik interessiert sind. Das ist ein guter Nebeneffekt all der schwierigen Themen, die wir zurzeit diskutieren.
Wird Angela Merkel als Spitzenkandidatin wieder antreten?
Ich gehe davon aus. Sicherlich gab es auch für sie schon einfachere Zeiten, aber letztendlich wird die Frage am Wahltag sein, wer uns am besten in die Zukunft führen kann. Ich denke, sie hat bei dieser Abwägung die besten Chancen.
Sie leben in einer der spannendsten Stäte der Welt. Wie viel von Berlin kriegen Sie, wenn Sie sich in der Bundeshauptstadt aufhalten?
Leider wenig. Ich werde von Besuchern oft gefragt, welche Theater oder Museen ich empfehlen kann. Ich muss dann passen, denn dass ich mal in ein Theater oder ins Museum komme, das ist die absolute Ausnahme. Unsere Termine sind in der Regel im Reichstag und in seiner Umgebung. Ich gehe, wenn ich in Berlin bin, um halb acht, acht Uhr aus dem Haus und komme oft erst gegen Mitternacht in meine Wohnung zurück.
Lebt man unter so einer Art politischen Glocke?
Meine Basisanbindung habe ich in Ludwigsburg und Umgebung. Hier will ich die Stimmung aufnehmen und nach Berlin tragen und einbringen. Ich werde im Berliner Wahlkampf Anfang September zu einer Veranstaltung in einem entfernteren Bezirk sein, aber ansonsten werde ich mich in den drei Sitzungswochen im September fast nur in Berlin-Mitte aufhalten.
Sie bieten auf Ihrer Homepage Kindern an, Fragen an Sie zu richten. Wird davon Gebrauch gemacht?
Die Nachfrage hält sich in Grenzen, aber vielleicht werden ja nach diesem Interview ein paar Fragen mehr gestellt. Wenn Kinder etwas über Politik wissen wollen, dann hängt es häufig mit Angela Merkel zusammen.
Sie loben ja auch einen Preis aus für Fragen, die Sie von Kindern erreichen. Was gibt’s denn, wenn ich neugierig fragen darf?
Eine Bundestagsvesperdose.