Blick in das Atelier von Ulrich Zeh. Foto: Birgit Kiefer

Ulrich Zehs Bilder hängen an vielen Wänden in der Region – als Künstler machte er sich ebenso einen Namen wie einst, als Heranwachsender, als Top-Leichtathlet. Vor allem aber prägte er Generationen von Schülern am ESG. Jetzt ist er im Alter von 76 Jahren gestorben.

Kornwestheim - Ich bin froh, dass ich frei über meine Zeit verfügen kann. Allerdings fehlen mir die jungen, interessierten Menschen, die mich selbst auch irgendwie jung gehalten haben. Jedenfalls was das Denken betrifft.“ Anlässlich seines 70. Geburtstags hatte Ulrich Zeh über beglückende und weniger beglückende Aspekte des Ruhestandes nachgesonnen. 2012 hatte er als der längstgediente Kunstlehrer des Ernst-Sigle-Gymnasiums Abschied genommen gehabt. Die Schule trug er weiterhin im Herzen; die inspirierende Kraft, Unmittelbarkeit und Wachheit seiner Schülerinnen und Schüler vermisste er.

Ulrich Zeh war in Kornwestheim eine Institution. Als Kind mit seinen Eltern in die Salamanderstadt gezogen, besuchte der 1946 in Bad Mergentheim Geborene hier selbst die Schule, an der er später unterrichten sollte. Das ESG war damals zunächst noch Progymnasium am Rand der Stadt. „Wir hatten das Glück, fast nur junge, unverbrauchte Lehrer zu bekommen“, erinnerte sich Zeh später. Er habe ein fast ungetrübt positives Lehrerbild mitbekommen. Auch sein eigener Vater Erwin Zeh unterrichtete am ESG. Ulrich Zeh war – mit anderen späteren Kornwestheimer Multiplikatoren wie Edgar Kube – Chefredakteur der Schülerzeitung „Ventil“. Für Lyrik, Literatur und fürs Schreiben hatte er sich früh interessiert.

Ausnahmeerfahrung Olympia 1964 in Tokio

Er und sein Zwillingsbruder Albrecht waren zudem echte Nummern als Leichtathleten beim TV Kornwestheim, Ulrich vor allem im Hochsprung. Die Brüder errangen württembergische Meistertitel in verschiedenen Disziplinen. Sie waren so gut, dass sie als zwei von 120 Jugendlichen ausgewählt wurden, anlässlich der Olympischen Spiele 1964 in Tokio den deutschen Nachwuchs zu repräsentieren.

Nach dem Studium an den Kunstakademien in Karlsruhe und Stuttgart kam Zeh als Kunsterzieher ans ESG zurück. Nachdem er als Referendar auch Schulen erlebt hatte, an denen die Kunst ein eher stiefmütterliches Dasein fristete, wusste er es sehr zu schätzen, dass er am ESG freie Hand, Chefs mit Zutrauen in seine Arbeit und eine großzügige Ausstattung hatte. Zeh konnte mitreißen und ließ sich selbst von Talent und Esprit begeistern. Leistungskurs um Leistungskurs führte er zum Abitur, etliche begabte Eleven unterstützte er dabei, ihrerseits an Kunstakademien zu gehen, Kunstgeschichte zu studieren oder Kunsterzieher zu werden. Als „legendär“ galten die Kunst-Studienfahrten in die Toskana. „Eine Woche lang wurde dort gemeinsam gelebt, gemalt, die Natur genossen, und Ulrich Zeh hat alle Schülerinnen und Schüler stets selbst bekocht“, berichtet Kunstlehrerin Anja Gessinger-Schaible. „Viele Schülerinnen und Schüler erinnern sich mit großer Freude an diese Zeit.“ Und viele hielten lange über die Schulzeit hinaus Kontakt.

Landeskunstwochen: Malen mit Zuschauern

39 Jahre wirkte Zeh, der in Bad Cannstatt lebte, am ESG. Er war aber nicht nur Pädagoge, Ehemann, Vater und zuletzt auch Großvater. Er war auch ein produktiver Künstler, der seine Gemälde – dynamische Sportbilder und poetische Landschaftsbilder, Portraits oder Zyklen wie etwa zum Thema Ikarus – zeigte und erfolgreich verkaufte. Er bestritt Ausstellungen im In- und Ausland, 1996 sogar in New York.

Eine fruchtbare Künstler-Galeristen-Beziehung verband Ulrich Zeh mit der damals noch in Kornwestheim beheimateten Galerie Geiger, die 1999 nach Konstanz umzog. Eng befreundet war er auch mit dem ebenfalls aus Kornwestheim stammenden Künstler Günther C. Kirchberger. Als Kornwestheim 1992 die Landeskunstwochen an Land zog – es waren damals ambitioniertere Zeiten in Sachen Kunst, 1989 war das städtische Galeriegebäude von Josef Paul Kleihues eröffnet worden – , konnte man den beiden beim Entstehen eines Kunstwerks über die Schulter schauen. 2011 widmete das Museum im Kleihues-Bau in der Stadt, die Zeh auch im Ruhestand nicht ganz losließ – auch wegen seines hier lebenden Bruders Burkhart und dessen Familie – eine Retrospektive.

2023 soll es eine Ausstellung im Ludwigsburger Landratsamt geben

In vielen öffentlichen Gebäuden, Kliniken, Firmen und Wohnzimmern hängen Bilder von Ulrich Zeh – im kleinen Sitzungssaal des Landratsamtes etwa das Werk „Hochspringer“. In der Behörde soll Anfang 2023 auch eine Ausstellung mit Bildern von Zeh und seiner früheren Schülerin Annina Fründ, geborene Karst, den Auftakt für eine Reihe markieren, „die Werke älterer Künstler mit denen der nächsten Künstlergeneration verbindet“, berichtet Dietmar Allgaier – auch der Landrat war einst Schüler von Zeh. „Ohne Uli Zeh wäre ich nicht zur Kunst gekommen“, sagt Annina Fründ. „Er war sehr inspirierend und unterstützend, aber auch ehrlich, wenn er etwas nicht gut fand.“ Die Ausstellung soll in memoriam Ulrich Zeh trotzdem stattfinden.

Mitunter habe er „die banale Welt wie blaue Hortensien sehen wollen“, hatte Zeh in einer seiner letzten Lebens-Rekapitulationen geschrieben – angelehnt an ein Sonett von Rainer Maria Rilke, der zu seinen Lieblingsdichtern zählte. Am Sonntag ist Ulrich Zeh 76-jährig in Stuttgart gestorben.