Pater Stefan Taeubner las in Kornwestheim. Foto: Mateja fotografie

Pater Stefan Taeubner liest zum ökumenischen Ortskirchentag aus seinem Roman. Das Thema überrascht.

Kornwestheim - Wenn ein Pfarrer einen Liebesroman schreibt, geht das dann schief? Pfarrer Franz Nagler von der Katholischen Kirchengemeinde St. Martinus gab zu, das Buch von Pater Stefan Taeubner, „Die neuen Leiden des Mädchen Kieu“, mit einer gewissen Skepsis in die Hand genommen zu haben.

Nach dem Lesen des Buches hat er seine Meinung grundlegend geändert, da ihn das Thema der Migrationsproblematik der in den neunziger Jahren illegal nach Deutschland eingereisten Vietnamesen immer mehr in den Bann gezogen habe, bestätigte er.

Die Lesung aus dem Roman mit Autor Pater Taeuber war zugleich auch Programmauftakt zum ökumenischen Ortskirchentag vom 15. bis 17. März, der in diesem Jahr ganz im Zeichen des Landes Vietnam stand.

Um die Handlung besser verstehen zu können, las Pater Taeubner aus der Einleitung von „Die neuen Leiden des Mädchen Kieu“ vor. Erklärt wird darin, dass der Roman „Das Mädchen Kieu“, ein vietnamesischer Klassiker aus dem 18. Jahrhundert, die Vorlage bildet. Berichtet wird von Herrschsucht, von brutaler Gewalt und der Versklavung der Frau. Die tapfere Heldin, eine schöne Frau, die viel leiden musste, versucht immer wieder einen Ausweg aus ihrem grausamen Schicksal zu finden.

Auch im Roman von Taeubner, einer dramatischen Liebesgeschichte, die aus der Perspektive der beiden Hauptpersonen Nga und Tinh erzählt wird, geht es um brutale Ausbeutung und um mafiöse Strukturen bei einigen ihrer Landsleute. Am Ende steht die Abschiebung nach Vietnam. So wird Nga mit weiteren Frauen aus Deutschland ausgewiesen und befindet sich, wieder zurück in Vietnam, in einer schier aussichtslosen Lage. Ein prall gefüllter Aktenordner dokumentiert ihre Verfehlungen in Deutschland: Drogenhandel, Prostitution und weitere Straftaten scheinen die Rückkehr in ein normales Leben zu verhindern.

„Du kannst dir alles erlauben, nur nicht, der Familie Schande zu bereiten“, meint eine ihrer Leidensgenossinnen. Dank ihres unerschütterlichen Glaubens und ihrer Frömmigkeit findet die kluge Nga jedoch einen Ausweg, um ihr zukünftiges Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Pater Taeubner erklärte am Ende seiner Lesung, dass die Liebesgeschichte um Nga und Tinh zwar konstruiert sei, jedoch viele bekannte Sachverhalte in die Geschichte miteingeflossen seien. Der Geistliche weiß in der Tat, wovon er spricht, da er sich selbst in Vietnam aufhielt und seit Jahrzehnten solche Flüchtlinge als Seelsorger in seiner katholischen Gemeinde in Berlin, in Justizvollzugseinrichtungen und Abschiebeknästen betreut.

Spontan meldete sich eine anwesende Vietnamesin und bestätigte, dass einige ihrer Landsleute nach dem Mauerfall illegal nach Deutschland eingereist und viel Leid erfahren hätten. Der Roman diene also nicht nur der Unterhaltung, sondern dokumentiere gleichzeitig ein wichtiges Stück Zeitgeschichte der vietnamesischen Historie und soll deshalb auch in die vietnamesische Sprache übersetzt werden.

Das Ensemble „Espressivo“ unter der Leitung von Peter Döser spielte gefühlvoll Melodien aus dem Musical von Miss Saigon sowie einige klassische Stücke der Komponisten Dimitri Schostakowitsch (25.09.1906 – 09.08.1975) und Edward Elgar (02.06.1857 – 23.02.1934). Dafür gab es viel Beifall und Anerkennung von den Besuchern und von Autor Pater Stefan Taeubner. Sollte der Roman jemals verfilmt werden, meinte der Geistliche etwas scherzhaft, dann würden einige der soeben gehörten Melodien als musikalisches Beiwerk Verwendung finden.