Martin Papke (Mitte) im Dialog mit Bürgern: Der 33-Jährige setzt auf Versöhnung durch Zuhören. Foto: privat

Martin Papke tritt in Kornwestheims Partnerstadt Weißenfels an der Saale die Nachfolge von Robby Risch an.

Mit 52,2 Prozent der Stimmen hat es Martin Papke geschafft: Als Oberbürgermeister von Weißenfels folgt der 33-Jährige Robby Risch nach, der nicht mehr angetreten ist. In der sachen-anhaltinischen Stadt mit rund 40 000 Einwohnern wartet einiges auf ihn – auch abseits aktueller Krisen wie Corona und Ukraine-Krieg. Was er angehen will und wie er das Verhältnis zu Kornwestheim pflegen möchte, verrät der CDU-Mann im Interview.

Herr Papke, ein Glückwunschschreiben zu Ihrer Wahl zum Oberbürgermeister hat Sie sicher auch aus Kornwestheim erreicht. Wird die Städtepartnerschaft auch in Ihrer Amtszeit so gepflegt werden wie in der Vergangenheit?

Nein, das Glückwunschschreiben habe ich noch nicht bekommen, das wird wahrscheinlich noch im Oberbürgermeisterbüro liegen. Die Städtepartnerschaft zwischen Kornwestheim und Weißenfels soll selbstverständlich weitergepflegt werden, das gilt auch für die junge Generation. Und es gibt sicher auch weitere Projekte, die gemeinsam auf den Weg gebracht werden können – auch mit dem Spannungsbogen zur gemeinsamen Tradition unserer Städte, der Schuhindustrie.

Kommen Sie denn zum Volkstrauertag, dem traditionellen Besuchstermin?

Ich kann es noch nicht genau sagen, gehe aber davon aus, dass sich dieser Termin in den kommenden Tagen klären wird. Ich möchte aber unterstreichen, dass ich nach meinem Amtsantritt nach Kornwestheim fahren werde, um die Städtepartnerschaft weiter zu pflegen.

Waren Sie schon einmal in Kornwestheim?

Nein, ich war noch nicht in Kornwestheim. Auch unsere zweite Partnerstadt, Komarno in der Slowakei, habe ich noch nie besucht. Das wird sich aber natürlich ändern.

Die Welt ist im Wandel in diesen Tagen. Was gehen Sie in Weißenfels als Erstes an? Ein akutes Thema dürfte die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine sein.

Die Welt ist im Umbruch, das ist ganz richtig. Es gibt in Weißenfels einige Familien, die aus der Ukraine gekommen sind. Auch ein Kinderheim aus dem ukrainischen Lwiw, also aus Lemberg, war dieser Tage hier zu Gast – 40 Kinder mit zehn Betreuern. Sie wurden inzwischen in einem stillgelegten Kloster in der Eifel untergebracht. Die Fluktuation ist relativ hoch, da viele Familien weiterziehen, in die Ballungszentren zu ihren Verwandten. Aber einige ukrainische Mitarbeiter aus dem Weißenfelser Schlachthof haben Familienmitglieder zu sich geholt.

Corona: Familien sind an ihre Grenzen gekommen

Ein anderes Thema ist, natürlich, nach wie vor die Coronapandemie. Wie ist Weißenfels Ihrer Meinung nach bisher „durchgekommen“ – und was muss ein Oberbürgermeister Martin Papke da noch wuppen?

Meiner Meinung nach ist ein großer Teil der Weißenfelser Bevölkerung in den vergangenen zwei Jahren zuhause an seine Grenzen gekommen. Das führte auch zu einer stärkeren Vereinsamung – das ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der jeweiligen Gemengelage. Wir haben einen Anstieg von Gewalt erlebt, das habe ich auch in meiner Arbeit als Seelsorger beobachtet. In der Innenstadt sind einige Geschäfte natürlich betroffen gewesen. Der Einzelhandel in Weißenfels ist ein großes Opfer gewesen. Die Gastronomie hat sich an vielen Stellen retten können, darüber bin ich sehr froh. Und was ich noch wuppen muss? Es gilt, in den kommenden Jahren aus dem Alleine-Sein ein Wir zu schaffen. Das war auch mein Wahl-Slogan.

Wie soll das gelingen?

Die Gesellschaft in aller Zerstrittenheit und Zerrissenheit müssen wir durch Entwicklungen mitnehmen und aktivieren. Ob das in einzelnen Quartieren städtebaulicher Natur sein kann, dass man Stadtteilprojekte miteinander angeht, ob man Investoren für einzelne Gebäude motivieren kann. . . Es werden keine leichten Jahre. Es werden Gewerbesteueranteile wegfallen, die Industrie leidet, die Unternehmerschaft leidet, da werden wir in der Stadt einige Auswirkungen haben.

Gibt es weitere Brennpunktthemen?

Ordnungspolitische Maßnahmen müssen wir in einem schwer händelbaren Stadtteil, der Neustadt, weiter in den Blick nehmen. Das ist eines der wichtigsten Themen in Weißenfels. Die Neustadt mit ihrer heterogenen Struktur der Kulturen, der unterschiedlichen prekären Milieus, dort muss es eine neue Struktur in Ordnung und Sicherheit geben. Vermüllung, Clan-Kriminalität, Prostitution, kulturelle Streitigkeiten – da braucht es ganz konkrete Maßnahmen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Weißenfels-App weiterentwickeln, über die man Probleme und Beschwerden digital und anonym an das Ordnungsamt weiterleiten kann – aber auch Ideen übermitteln kann. Davon verspreche ich mir vieles.

Kommunikation birgt ein großes Konfliktpotenzial

Sie waren seit 2019 im Weißenfelser Stadtrat. Wie ist die Atmosphäre dort?

Wichtig ist, dass wir den Stadtrat wieder arbeitsfähig bekommen, dass wir wieder miteinander reden. Das lerne ich auch aus meiner Tätigkeit als Seelsorger: Die Kommunikation wird zum größten Konfliktpotenzial. Ich glaube, wir müssen alle wieder neu lernen, Zuhörer zu werden.

Wie ist das Verhältnis zu ihrem Vorgänger?

Bei allen Streitigkeiten im Rat muss ich dem noch amtierenden Oberbürgermeister Robby Risch ein großes Lob aussprechen. Es gab in Weißenfels noch nie eine Amtsübergabe vom Inhaber zum Nachfolger. Robby Risch nimmt mich in allen Belangen mit, sofern es mir dienstlich möglich ist. Und das nutze ich natürlich und schöpfe aus dieser Erfahrung. Vielleicht entsteht daraus ja so etwas wie eine Versöhnung. Diese geregelte Übergabe ist ein gutes Mittel, um sich wieder anzunähern und mir einen guten Start am 1. August zu geben.

Die letzte, recht persönliche Frage: Sie sind studierter Theologe und gläubiger Katholik. In der Politik kann man heutzutage aber auch bei so mancher Entscheidung „vom Glauben abfallen“. Wie wollen Sie den Spagat schaffen, falls es einer ist?

Ich bin gläubiger Katholik, das sehen Sie absolut richtig. Und mein Glaube ist mein innerer Kompass, was meine Werte angeht. Daran orientiert sich auch mein politisches Verständnis, den Menschen zu dienen. So sehe ich meine politische Arbeit. Verwaltung, Oberbürgermeister, Stadträte, wir müssen einander dienen. Das muss mehr betont werden.

Demokratie ist harte Arbeit

Geht das denn immer?

Sicherlich werden schwierige Entscheidungen kommen. Dass ich dabei vom Glauben abfalle, glaube ich nicht. Er wird vielmehr eine Kraft sein, die mich begleitet in schweren Zeiten, die auf mich und auf die Stadt zukommen. Vielleicht ist das auch eine Stärke, die mir einen anderen Blick auf die Dinge vermittelt. Vielleicht muss man Dinge erst einmal sacken lassen und sie mit ins Gebet nehmen. Und ein Spagat ist das ganze Amt. Aber wer sich nicht traut, einen solchen Spagat zu wagen, der hat auch die Demokratie am Ende verloren und aufgegeben. Zur Demokratie gehört es nun mal, einen Spagat hinzulegen. Es ist harte Arbeit, Demokratie ist nicht einfach so da.

Zur Person

Persönliches
 Martin Papke, wurde am 7. Februar 1989 in Zerbst/Anhalt geboren. Er verbrachte als Jugendlicher einige Zeit mit seinem Vater, der als Entwicklungshelfer arbeitete, in den Slums von Sebu/City auf den Philippinen. Papke ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

Berufliches
 Martin Papke hat nach vier Semestern Architektur auf Theologie an der Katholischen Hochschule in Paderborn umgesattelt. 2013 schloss er als Bachelor ab. Nach dem Referendariat wurde er Gemeindereferent und Leiter der JugendCityPastoral in Weißenfels. 2017 setzte er berufsbegleitend den Master in Caritaswissenschaften und werteorientiertem Management drauf.

Politisches
Papke ist seit 2017 CDU-Mitglied, seit 2019 Stadtrat und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion CDU/FDP/BfG.