Die Innenstadt war Thema beim Businessfrühstück Foto: Werner Waldner

Handelsexperte Dr. Stefan Leuninger hat beim Business-Frühstück der Wirtschaftsförderung im K über die Zukunft der Innenstädte referiert.

Kornwestheim - Sein Credo: „Haben Sie mal den Mut etwas auszuprobieren.“ Und was? An Beispielen ließ es Stefan Leuninger, Leiter einer Beratungsgesellschaft für Stadtentwicklung, nicht mangeln – sei es eine gemeinsame Kundenkarte, die vielfach einsetzbar sei, sei es ein gemeinsamer digitaler Auftritt der Einzelhändler, sei es die Sperrung der Straßen in der Innenstadt für einen Tag in der Woche, sei es eine W-Lan-Bank. Es müsse aber die Bereitschaft vorhanden sein, sich von alten Zöpfen zu befreien, mahnte der Referent.

Zum 22. Mal hatte die Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung zum Businessfrühstück eingeladen. Selten ging es so lebendig zu wie am gestrigen Freitagmorgen im Veranstaltungsraum im K. Was auch daran gelegen haben mag, dass das Thema Innenstadt Kornwestheim schon lange beschäftigt, ohne dass der entscheidende Durchbruch zur Belebung des Zentrums gelungen ist. Leuninger sieht die Chancen für die Innenstädte gar nicht so schlecht. Habe es vor Jahren noch die Beobachtung gegeben, dass sich die Kunden in den Geschäften informieren, um dann im Internet zu bestellen, so habe sich dieser Trend umgekehrt. Die Kunden würden sich das Warenangebot im Internet anschauen und später vor Ort einkaufen. Wichtig sei es deshalb für die Einzelhändler, auf die „digitale Landkarte“ zu kommen.

Umfragen zeigten, dass die Innenstädte als Treffpunkte gefragt seien – auch bei jungen Leuten, wie Leuninger betonte. Deshalb seien die Städte gut beraten, ihre Zentren angenehm zu gestalten und dort möglichst viele Einrichtungen mit hoher Frequenz anzusiedeln. „Warum ist der Wochenmarkt nicht auf dem Holzgrundplatz?“, fragte Leuninger. Er prophezeite, dass es in den nächsten Jahren zu Veränderungen kommen werde. „Zehn bis 15 Prozent der Einzelhandelsfläche werden nicht mehr benötigt.“ Bei den Büroflächen schätzt er diese Zahl sogar noch ein wenig höher ein.

Leuninger bedauerte es, dass das Land Baden-Württemberg bei der Städtebauförderung im Vergleich zu allen anderen Bundesländern hinterherhinke und keine Fördermittel für die Bezahlung von Beschäftigten in der Stadtentwicklung zur Verfügung stelle. Und dabei sei Stadtentwicklung zuvorderst „die Moderation von Veränderungsprozessen“, sagte der Handelsexperte, dessen Ausführungen auf großes Interesse stießen.

In der Vergangenheit, sagte beispielsweise Fotohändler Jens Bartmann, seien viele Fehler gemacht worden. Jetzt habe die Innenstadt von Kornwestheim nicht mehr als eine Grundversorgung, ergänzt um ein paar Fachgeschäfte. „Den Erlebniseinkauf können wir nicht bieten“, stellte der frühere Vorsitzende des mittlerweile aufgelösten Stadtmarketingvereins klar. Weniger Frequenz als in der Bahnhofstraße könne eine Einkaufstraße gar nicht haben. Bartmann warnte auch vor übertriebenen Erwartungen an eine gemeinsame Einkaufscard. Sie funktioniere in Kornwestheim deshalb nicht, weil die großen Ladenketten nicht mitmachen würden. Die Stadt, so der Einzelhändler, müsse sich die Frage stellen, ob sie überhaupt noch eine Innenstadt haben wolle. „Wir dürfen keine Luftschlösser bauen.“ Bartmann prophezeite größere Veränderungen. „Die Corona-Krise hat den Markt umgespült.“

Jutta Schulz von der Buchhandlung Bücherlurch bestätigte die Einschätzung des Referenten, dass digital vorsortiert und vor Ort eingekauft werde. Ihr Webshop sei während der Corona-Schließzeit gut angenommen worden. „Die Kornwestheimer standen zu uns“, sagte die Buchhändlerin, die zudem die Beobachtung gemacht hat, dass es ein großes Bedürfnis nach persönlichen Gesprächen gebe. Doris von Olnhausen (Lillich Immobilien) regte an, die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern, Spielgeräte und Sitzgelegenheiten aufzustellen und Bäume zu pflanzen. Die Besucher müssten sich in der Innenstadt wohlfühlen. Gleichwohl sei es derzeit nicht leicht, Mieter für Ladenflächen zu finden. „Es gibt fast keine Nachfrage.“

Oberbürgermeisterin Ursula Keck erinnerte die Einzelhändler an ihre Verantwortung. Was fehle, das sei eine Werbegemeinschaft als Motor. Als Ärgernis bezeichnete sie die vielen Falschparker in der Bahnhofstraße. Nach der Sommerpause, so versprach sie, würden den Stadträten Möglichkeiten vorgestellt, wie dem Einhalt geboten werden kann. An den Referenten gewandt sagte sie: „Sie haben uns Mut gemacht, Veränderungen in den Blick zu nehmen.“ Es sei eine gute Diskussion in Gang gesetzt worden.