Der 35-Jährige wollte eine Schachtel Kippen klauen. Foto: dpa/Sven Hoppe

Nach dem Versuch, eine Schachtel Zigaretten zu stehlen, eskaliert die Lage.

Kornwestheim - Er wollte bei Rewe eine Schachtel Zigaretten stehlen und landete für fünf Monate in Untersuchungshaft. Die endete für den 35-Jährigen am Dienstag mit dem Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg: Es verhängte gegen den Angeklagten zwar eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, setzte die aber zur Bewährung aus. Er konnte das Gerichtsgebäude, zu dem er morgens noch mit dem Gefangenentransport gebracht worden war, als freier Mann verlassen. Der Staatsanwalt hatte eineinhalb Jahre Haft beantragt – ohne Bewährung.

Zigarettenschachtel in der Hosentasche verschwinden lassen

Es war ein großer Aufruhr am 21. September des vergangenen Jahres im und vorm Rewe (Mitte) an der Stuttgarter Straße. Der 35-Jährige hatte zwar seine Einkäufe aufs Band gelegt, aber auch eine große Schachtel Zigaretten in der Hosentasche verschwinden lassen. Das beobachtete eine Kassiererin und forderte ihn auf, die Packung ebenfalls aufs Band zu legen. Dem kam der junge Mann nicht nach, weshalb die 48-Jährige nach der Filialleiterin rief. Als die ihn vor die Wahl stellte, entweder die Zigaretten herauszurücken oder das Ganze der Polizei zu übergeben, eskalierte das Geschehen. Erst kam es zu einem kleinen Tumult im Laden, in dessen Verlauf er der Kassiererin ins Gesicht schlug und die Filialleiterin schubste. Vor der Supermarkttür bedrohte er eine weitere, zu Hilfe geeilte Verkäuferin mit einem Taschenmesser und fügte ihr eine kleine Schnittwunde zu. Kunden und Mitarbeiter aus der Metzgerei konnten den 35-Jährigen schließlich bändigen, ihm das Messer aus der Hand schlagen und festhalten, bis mehrere Streifenwagen eintrafen.

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Weil man Zigaretten zu stehlen versucht, Verkaufspersonal bedroht und leicht verletzt, landet man für gewöhnlich nicht gleich für mehrere Monate in Untersuchungshaft – insbesondere dann nicht, wenn man sich bis dato nichts hat zu Schulden kommen lassen, was für den 35-Jährigen gilt. Dass gegen den Kornwestheimer einen Tag nach dem Vorfall trotzdem ein Haftbefehl erlassen worden war, mag auch an seiner Erkrankung gelegen haben. Er leidet laut ärztlicher Diagnose an einer paranoiden Schizophrenie und war deswegen schon mehrfach in stationärer Behandlung. Möglicherweise war der Kornwestheimer auch einmal drogenabhängig. Er steht seit seinem 16. Lebensjahr unter Betreuung.

Angeklagter verweigert Zusammenarbeit mit Gutachter

Deshalb war sich das Gericht im Vorfeld nicht sicher, ob statt einer Bestrafung – sofern man sich von seiner Schuld überzeugt zeigte – nicht auch eine Unterbringung in der Psychiatrie oder einer Entziehungsanstalt in Frage kommen könnte und schaltete einen psychiatrischen Gutachter ein. Der Angeklagte verweigerte allerdings die Zusammenarbeit, weshalb Dr. Ulrich Lutz den 35-Jährigen zum ersten Mal bei der Verhandlung im Amtsgericht Ludwigsburg sah und sich für sein Gutachten nur auf Akten und Zeugenaussagen stützen konnte. Er zeigte sich aber überzeugt davon, dass der Angeklagte, auch wenn er psychisch krank sei, beim Vorfall im Rewe-Supermarkt in seiner Steuerungsfähigkeit nicht beeinträchtigt gewesen sei. Dass er krank ist, dieser Ansicht ist der Kornwestheimer nicht. Früher mag das so gewesen sein, jetzt aber nicht mehr, sagte er, berichtete aber auch davon, wie man versucht habe, ihn in der U-Haft mit vergifteter Wurst außer Gefecht zu setzen. Die Betreuung hält er für überflüssig: „Ich kann selbst entscheiden, was mir gut tut.“ Und das sei „Arbeiten und nach Hause kommen“.

Nun wird er auch arbeiten müssen. Das Gericht verhängte als Bewährungsauflage 150 Stunden gemeinnützige Arbeit. Dem 35-Jährigen wird zudem ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt. Folgt er den Anweisungen nicht, geht’s wieder in Gefängnis. „Was das bedeutet, das wissen Sie ja“, sagte Richterin Susanne Odeskog.