Scott Matthew ist in Stuttgart aufgetreten. Das Konzert fand im Schocken statt. Foto: Michael Mann

Scott Matthew ist der Meister der Songentschleunigung und versteht sich wunderbar darauf die Lieder anderer zu seinen eigenen zu machen. So beim intimen Konzert im Schocken in Stuttgart.

Gut anderthalb Jahre sind vergangen, seitdem Scott Matthew im Theaterhaus auf der Bühne stand, dort „Unlearned“ präsentierte, sein Album ungewöhnlichster Coverversionen. Einige von ihnen spielt er nun auch am Mittwochabend im Schocken.

„I Wanna Dance With Somebody“ wurde einst gesungen von Whitney Houston, „Annie’s Song“ stammt von John Denver – es ist der Song, den Scott Matthew liebsten singt. Neue Coverversionen sind zu seinem Repertoire hinzugekommen – von Nick Cave, von Jesus And The Mary Chain. Jedes dieser Stücke verändert sich auf erstaunliche Weise, wenn der Australier, der in New York lebt, nach ihm greift, verwandelt sich in einen anderen, Matthews eigenen Song: Aus dem allzu Vertrauten, dem fast schon Banalen, werden kleine Wunder an Schönheit, Zurückhaltung – die Zeit dehnt sich endlos, die Musik schlägt einen ruhigen Puls, Scott Matthews Stimme schwebt.

„In The End“ heißt eines der Stücke, die er für den Soundtrack der New Yorker ErotikKomödie „Shortbus“ schrieb, er singt es im Schocken als letzte Zugabe. „Shortbus“ machte Scott Matthew 2006 bekannt, zwei Jahre später folgte sein Debütalbum. Seither gilt er als der ruhigste, langsamste, traurigste aller Songwriter, ein Mann mit schwarzem Bart und betörender Stimme, die lange in fast schmerzlichen Höhen schweben kann, wundervolle Melodien singt, zu einer Begleitung, die so spartanisch und zart auftritt, dass man unwillkürlich den Atem anhält.

Musik von fast zu großer Eindringlichkeit

So erlebte man Scott Matthew im Dezember 2013 im Theaterhaus – entrückt, ganz eingesponnen in seine eigene Welt, in eine Musik von fast zu großer Eindringlichkeit. Aber nun, im Schocken, ist vieles anders als damals: Das Publikum ist kleiner, der Abstand zwischen dem Sänger und seinen Zuhörern geringer – Scott Matthew steht ihnen unmittelbar gegenüber, sein Kopf überragt sie nur knapp, seine Musiker, unter ihnen der Deutsche Jürgen Stark, sitzen.

Matthew tut diese Nähe sichtlich gut, er genießt sie: Der vermeintlich so traurige Songwriter lacht viel an diesem Abend, er kichert, lässt sich ablenken, fühlt sich wohl. Im Repertoire hat er viele alte Stücke, viele neue und einen Jazzstandard: Er singt „Everything Happens To Me“ – zum ersten Mal, sagt er, habe er dieses Stück aus dem Great American Songbook in einer Version von Chet Baker gehört.

Neue Töne haben sich eingeschlichen

Ende März erschien Scott Matthews neues Album - „This Here Defeat“ heißt es, eine Niederlage ist es mitnichten, aber neue Töne haben sich, ganz leise natürlich, in seinen musikalischen Kosmos geschlichen: Manchmal zieht das Tempo vorsichtig an, manchmal klingt der melancholische Sänger fröhlich, manchmal möchte man fast tanzen zu seinen Liedern, fast mitsingen. Ein wenig Broadway, ein wenig Tin Pan Alley scheint eingezogen zu sein in Scott Matthews Welt.

Aber Matthew zieht sich auch immer wieder zurück, hüllt sich ein in die große, ruhige Intensität seiner Musik, singt von Trennung, Schmerz und von der Liebe. Seine Lieder sind nicht notwendig nur traurig, sie sind vor allem gefühlvoll und manchmal, sehr oft, von schlicht überwältigender Schönheit.

Begleitet wird er von den schwermütigen Melodien eines Cellos, von den ganz sparsamen Tupfern des Pianos, manchmal auch von einer elektrischen Gitarre, einem tiefen Bass, der Ukulele. Kurios genug: Beim Soundcheck im Schocken, erzählt Scott Matthew zu Beginn des Auftritts, sei fast alles schiefgelaufen, und genau deshalb, sagt er, werde er nun ein besonders entspanntes Konzert geben, weil er allen Stress, den man haben könne, an diesem Abend bereits gehabt hätte. Scott Matthew hat nicht nur die Stimme, die Ruhe, das Gefühl – er hat auch den Humor. Einer, der die Sex Pistols mit traumverlorenem Wispern und leise angeschlagener Gitarre kopiert, der muss ihn wohl haben.