Will bei schweren Verbrechen der Polizei Zugriff auf gespeicherte Mautdaten geben: Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl. Foto: dpa

Der Koaltitionspartner ist empört über den grünen Innenminister Thomas Strobl und seinen Vorstoß, an Mautdaten festhalten zu wollen – und kündigt Widerstand an.

Stuttgart/Dresden - Die Landespolitik lässt Innenminister Thomas Strobl (CDU) auch bei seinem Abstecher nach Sachsen nicht los, wo er in Dresden bis zum heutigen Mittwoch an der Tagung der Innenminister von Bund und Ländern teilnimmt. Strobl hatte am Wochenende einen Vorstoß zur Nutzung von Mautdaten bei der Aufklärung schwerer Verbrechen unternommen. Hintergrund ist die Aufklärung der Mordfälle von Endingen und Kufstein, bei denen die Überführung des Täters unter Rückgriff auf österreichische Mautdaten gelungen war.

Strobls Anregung stieß im Kreis der Innenminister der Union auf viel Zustimmung. Dagegen hat er in der Koalition für dicke Luft gesorgt, denn die Grünen sind empört. Der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand kommentierte Strobls Vorschläge am Dienstag so: „Das würde George Orwell auf die Autobahn bringen.“ Und er fügte drohend hinzu, es sei mit grünem Widerstand zu rechnen, „wenn es die Union auf ein Überwachungssystem anlegt“. Und Hans-Ulrich Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sekundierte: „Wir lassen nicht zu, dass der Datenschutz in der aufgeheizten sicherheitspolitischen Debatte unter die Räder kommt.“

Strobl denkt keineswegs an einen Rückzieher

Strobl allerdings denkt nicht an einen Rückzieher. Gegenüber unserer Zeitung bekräftigte er seinen Standpunkt: „Es fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass man ohne Bedenken bereit ist, Mautdaten zur Abrechnung von Euro und Cent zu speichern und zu verwerten, diese aber nicht, nicht einmal nach Genehmigung durch einen Richter, anschauen darf, um schwerste Verbrechen aufzuklären oder zu verhindern.“ Das zeige der aktuelle Fall. „Ohne die österreichischen Mautdaten tappten wir weiter im Dunkeln.“ Diese Diskussion müsse man in Deutschland führen. „Wir dürfen unsere Sicherheitsbehörden doch nicht taub und blind machen, wenn die Daten längst an anderer Stelle gespeichert und genutzt werden.“

Das Thema wird heute die Abschlussberatungen der Innenminister genauso beschäftigen, wie das Thema Schleierfahndung. Darunter versteht man verdachtsunabhängige Polizeikontrollen. Die sind bislang auf einen 30-Kilometer-Gürtel hinter den Bundesgrenzen beschränkt. Die Union will sie gerne auf die Umgebung von Flughäfen, Bahnhöfen und Marktplätzen ausdehnen. Bremen, Berlin und NRW sind die einzigen Bundesländer, die bislang keine Schleierfahndung anwenden. Auch hier hatte sich Strobl eindeutig positioniert. Baden-Württemberg und Bayern seien Vorreiter bei Einführung der Schleierfahndung. Sie habe sich in der polizeilichen Praxis „absolut bewährt“. Das Instrument sei „gerade vor dem Hintergrund der Terrorgefahr nicht mehr wegzudenken“. Solche Kontrollbefugnisse gehörten „in ganz Deutschland in den Standard-Instrumentenkasten der Polizei“.

NRW wird keine klassische Schleierfahndung einführen

Während Strobl sich hier mit seinen Unionskollegen einig weiß, kommt von SPD-Seite Kritik. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hatte schon zu Wochenbeginn vor „Symboldebatten bei der inneren Sicherheit“ gewarnt. Sein Argument: „Was nützen die schärfsten Gesetze, wenn wir zu wenig Polizisten haben?“ Berlin Innensenator Andreas Geisel (SPD) lehnt die Schleierfahndung für sein Land ab, „weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis“ stünden. Bei den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP in NRW haben sich beide Seiten nicht auf die Schleierfahndung verständigen können. Die verabredete „strategische Fahndung“ darf nur angewendet werden, wenn ein konkreter Anlass vorliegt.