Der fehlende Rückhalt der Grünen für ihre Kandidatin Veronika Kienzle sei ein Fehler gewesen, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider. Und das war nicht der einzige Faktor, der zu Frank Noppers Erfolg beigetragen hat.
Stuttgart - Frank Nopperhat seine Anhänger erneut mobilisieren können, sagt Frank Brettschneider. Geholfen habe ihm aber auch Hannes Rockenbauch und der unentschlossene Nichtwähler.
Herr Brettschneider, hat Sie der knappe Ausgang der Wahl überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.
Wer war am Ende der Steigbügelhalter für Frank Nopper? Hannes Rockenbauch?
Vom Ergebnis her ja. Er sagt natürlich, das sei nicht seine Intention und auch nicht die seiner Wählerinnen und Wähler gewesen. Aber de facto war das Verbleiben von Hannes Rockenbauch in diesem Rennen einer der Erfolgsfaktoren für den CDU-Kandidaten.
Hätte Veronika Kienzle dem mehr entgegensetzen können?
Sie hätte durchaus Chancen gehabt. Bei unserer Umfrage haben viele, die sie im ersten Wahlgang nicht gewählt haben, aber ihr nahe stehen, gesagt: Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie gleich gewählt. Auch viele Rockenbauch- und ziemlich viele Schreier-Wähler hätten sich für sie entschieden.
Die Grünen haben sich also selbst ein Bein gestellt?
Die Grünen haben einen grandiosen Fehler gemacht. Am Wahlabend sagte Veronika Kienzle, dass sie noch mal antreten wolle, aber nur wenige sind ihr beigesprungen. Hätten viele Grüne sie damals offen unterstützt, hätte sie eine bessere Startposition für die anschließenden Absprachen gehabt.
Wie erklären Sie sich die unterirdisch schlechte Wahlbeteiligung?
Normalerweise ist die Wahlbeteiligung bei der Neuwahl höher als bei der Hauptwahl. Hier ist das umgekehrt, weil sich viele Wählerinnen und Wähler von Veronika Kienzle (Grüne) nicht entscheiden konnten, ob sie Marian Schreier oder Hannes Rockenbauch wählen wollen und ob überhaupt. Das wissen wir aus unserer Hohenheimer Umfrage. Auch bei den SPD-Wählern waren einige unschlüssig, die sind jetzt wohl auch weggeblieben. Hinzu kommen Wähler, die bei der Hauptwahl ihre Stimme den Einzelbewerbern gegeben hatten und jetzt auch nicht mehr zur Wahl gegangen sind. So kleckert sich das zusammen.
Was hat Frank Nopper inhaltlich zum Sieger gemacht?
Im Vergleich zur OB-Wahl 2012 – Herr Turner hatte 45,3 Prozent – ist das natürlich kein furioser Wahlsieg für Frank Nopper. Dennoch ist klar: Wer hätte das vor einem Jahr gedacht, dass er es in einer grünen Stadt wie Stuttgart schaffen könnte? Aber er konnte mit seiner Erfahrung aus Backnang punkten und den Themen Stabilität und Sicherheit und Ordnung, was ja gerade für CDU-Wählerinnen und Wähler wichtig ist.
Heißt das, dass Stuttgart keine Experimente möchte?
Das würde ich nicht sagen, denn er hat ja mit 42,6 Prozent noch nicht mal die absolute Mehrheit erreicht. Er wird sich warm anziehen müssen im Gemeinderat, da hat er keine Mehrheit auf seiner Seite, er wird sich von Thema zu Thema Mehrheiten bauen müssen. Er traf auf glückliche Umstände, er konnte mit dem Pfund der Erfahrung wuchern, und im Umgang mit Sicherheit und Ordnung und der Coronakrise hat er es geschafft, seine Anhänger zu mobilisieren.
Haben die Jungen in Stuttgart nun gegen die Alten verloren?
Die Jungen haben mit dem Wahlergebnis für Schreier und Rockenbauch ein deutliches Zeichen gesetzt. Sie haben jetzt halt nicht den OB, den sie mehrheitlich gewählt haben. Aber der Gemeinderat spielt ja eine große Rolle, der OB ist kein Alleinherrscher, insofern werden die nächsten acht Jahre sicher nicht furchtbar für sie.
Hat der Wahlkampf in den sozialen Medien mit dieser Wahl an Bedeutung zugelegt?
Ja, allein schon coronabedingt. Alle drei Kandidaten, die zur Neuwahl angetreten sind, haben sich ihrer bedient. Mit dem digitalen Wahlkampf haben sie Wählergruppen erreicht, die sie sonst nicht so leicht erreicht hätten.
Bundesweit haben wohl nur wenige dem Kandidaten Marian Schreier einen Wahlsieg in Stuttgart zugetraut. Entsprechend hat sich der TV-Moderator Jan Böhmermann über Twitter geäußert. Versinken wir jetzt wieder in Nichtbeachtung?
Es wird jetzt sehr genau auf Stuttgart geschaut, vor allem wegen der bevorstehenden Landtagswahl und weil man sieht, das wird für die Grünen hier kein Selbstläufer.
Was empfehlen Sie den Grünen jetzt?
Sie müssen viel besser punkten bei der Kampagnenfähigkeit, sie müssen schlicht und einfach einen besseren Wahlkampf führen als das in Stuttgart passiert ist.