Erdgas tanken ist fast überall möglich. Foto: Jan Reich

Die Luft in Stuttgart – das ist Fritz Kuhns Credo – kann nicht mit einer Maßnahme allein verbessert werden. Josef Schunder, Redakteur für Kommunalpolitik, meint: Folglich müsste der Oberbürgermeister auch Erdgas als Antriebsmittel für Autos als eine Möglichkeit mehr in Betracht ziehen.

Stuttgart - Stuttgart braucht Luft zum Atmen. Gute Luft. Der Versuch, die zu einem Großteil aus den Autoauspuffen stammenden Abgase im chronisch windarmen Kessel zu verringern, dauert nun schon viele Jahrzehnte. Jetzt aber bedient man sich dabei neuer, visionär anmutender Mittel.

Moose am Straßenrand und abgasreinigende Baumaterialien in Hausfassaden, ist das nicht abstrus? Eine gewisse Skepsis, eine gewisse Ungläubigkeit sind als Reaktion nur zu verständlich, wenn jetzt von den neuen Ansätzen bei der Luftreinhaltung die Rede ist. Tatsache ist aber auch, dass außerhalb von Stuttgart schon ein paar hoffnungsvoll stimmende Versuche unternommen worden sind. Stuttgart, das nun wahrlich für seine Luftprobleme deutschlandweit berüchtigt ist, kann gar nicht darauf verzichten, auch solche Wege zu beschreiten. Der entsprechende Vorstoß von OB Kuhn, gerade entlang der großen Straßenschluchten auf mehr Begrünung und den Versuch mit der Mooswand zu setzen, ist zu begrüßen.

Aber gerade Kuhn hat es immer wieder, fast schon gebetsmühlenhaft ins Bewusstsein gerufen: Im Kampf gegen die Luftschadstoffe gibt es nicht die eine Patentlösung. Hier und speziell auch beim Versuch, die Menge der herkömmlichen Kraftfahrzeuge im Stuttgarter Kessel um 20 Prozent zu verringern, braucht es ein Bündel von Maßnahmen. Umso erstaunlicher, dass bei dem Ende Juli verkündeten Maßnahmenkonzept von Verkehrsminister Hermann und OB Kuhn die Komponente Erdgasauto fehlt. Wieder einmal fehlt. Denn Land und Stadt ignorieren die Möglichkeiten dieser Brückentechnologie seit Jahren, dabei könnte der verstärkte Einsatz von Erdgasautos statt Dieselfahrzeugen der Luft sehr guttun.

Das Erdgasmobil krankt nicht wie so manches Elektromobil an geringer Reichweite und zeitaufwendiger „Betankung“. Das weiß, wer es wissen will, schon seit vielen Jahren. Das Erdgasauto sei Stand der Technik und so wirtschaftlich, dass es nicht mehr eigens gefördert werden müsse, bedeuten Minister und OB bei Nachfragen. Öffentlich dafür eingesetzt und aufgeklärt darüber haben sie aber genauso wenig wie ihre Vorgänger – während für andere Anliegen oft genug die Trommel gerührt wurde.

In anderen Bundesländern hat die Polizei längst Erdgasautos getestet, im stark mit Feinstaub und Stickoxid belasteten Stuttgart nicht. Hier fährt die Polizei fast nur mit Dieselfahrzeugen, von denen etwa ein Siebtel die Norm erfüllt, die Minister Hermann am liebsten in wenigen Jahren für alle Dieselfahrer vorschreiben möchte, wenn ihn Kuhn nicht bremsen würde. Der Großteil der Polizeiautos trägt zu Stuttgarts Stickstoffdioxidproblem bei. Sogar moderne Benziner wären da günstiger. Dass private Autofahrer von der Politik für bessere Luft mit in die Verantwortung genommen werden, geht ja in Ordnung. Aber sie können auch verlangen, dass Politik und Behörden alles unternehmen, was in ihrer Macht steht und was bei der Lösung helfen kann. Aber da ist noch Luft nach oben.