Nun entscheidet das Endspiel in Rio über Löws Platz in der Geschichte. Denn die Krönung ist ihm und der vermeintlich goldenen Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger bisher verwehrt geblieben.
Das sind die Momente, die nie enden dürften. Schlusspfiff in Belo Horizonte, Anpfiff zur Jubelarie: Deutschland steht nach dem unglaublichen 7:1-Sieg gegen Brasilien im WM-Endspiel, am Sonntag steigt in Rio die ultimative Fußballparty. Nur jenem nicht geringen Teil der 80 Millionen Bundestrainer, der den Titelgewinn für eine Art Naturgesetz hält, dürfte der Einzug ins Finale als Lappalie gelten – dabei war er keineswegs selbstverständlich in diesem Turnier der Widrig- und Unwägbarkeiten. Dazu könnten Spanier, Italiener, Engländer und Vertreter anderer Nationen leidvolle Erfahrungen aus dem Jammertal der früh Gescheiterten beisteuern. Und jetzt auch die geradezu bemitleidenswerten Brasilianer.
Andere Länder kommen und gehen, nur Deutschland verlängert seit 2002 bei Welt- und Europameisterschaften konstant sein Abonnement als eines der besten vier Teams. Diese Zuverlässigkeit fällt nicht vom Himmel, sondern ist das Produkt harter, zielstrebiger und unerschütterlicher Arbeit. Joachim Löw, der einzig echte Bundestrainer im Land, hat sich in Brasilien durch die Fülle an personellen, klimatischen oder taktischen Erschwernissen nicht beirren lassen. Er hat situationsbedingt die Erfordernisse den Gegebenheiten angepasst, auch wenn ihm notorische Skeptiker vorhalten, er sei nur dem dringenden Rat seiner Kritiker gefolgt, als er Philipp Lahm in die Abwehr zurückzog und auf das schon 2010 bewährte Mittelfeldduo Schweinsteiger und Khedira setzte. Verantwortet hat nur er diese Entscheidungen, und daran kann er sich guten Gewissens messen lassen – erst recht nach diesem Halbfinal-Triumph!
Dennoch: Erst das Finale ist Löws wichtigstes Spiel als Bundestrainer. Denn die jüngsten Erfolge täuschen nicht über den Makel hinweg, der ihm anhaftet und der einen guten von einem großen Trainer unterscheidet: Die Krönung ist ihm und der vermeintlich goldenen Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger bisher verwehrt geblieben. Das gilt es in Rio nachzuholen. Sieg oder Niederlage im Endspiel entscheiden über Löws Platz in der Geschichte. Und womöglich darüber, ob er Bundestrainer bleibt oder nicht.