Der Trend zur Stadt hält an. Für die Ballungsräume bleibt damit Wohnungsnot eine der großen Herausforderungen Foto: dpa

Was die Bertelsmann-Stiftung über die Bevölkerungsentwicklung vorhersagt, birgt Chancen – gerade für Baden-Württemberg. Vorausgesetzt, Gesellschaft und Politik stellen die Weichen richtig. Daran mangelt es, meint unser Kommentator Christoph Reisinger.

In der Region Stuttgart wächst die Bevölkerung, im Nordschwarzwald nur das Grün. Überspitzt gesagt, ist es das, was die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Entwicklung Baden-Württembergs vorhersagt. Segen oder Fluch? Das wird davon abhängen, wie aktiv und klug sich die Gesellschaft auf die erheblichen Verschiebungen einstellt. Und zwar jetzt.

Um mit dem für den Südwesten Positiven anzufangen: Er wird nicht auf der Verliererseite stehen. Für den Großraum Stuttgart gilt das ganz besonders. Eine weiter wachsende Bevölkerung bedeutet aber auch, dass die Themen an Brisanz zulegen, aus denen schon heute erhebliche Herausforderungen erwachsen: der enge, überhitzte Wohnungsmarkt etwa oder die Notwendigkeit, nach nationalen Maßstäben weit überdurchschnittlich viele Zuwanderer zu integrieren. Und nicht zuletzt: die rasche Überalterung mit allen problematischen Folgen für Versorgung, Betreuung – und ja, auch für die Mehrheitsverhältnisse in der Demokratie.

Beängstigend sind aber keineswegs die Aussichten. Beängstigend ist die Wurstigkeit, mit der Gesellschaft und Politik damit umgehen. Kommt es, wie es die Studie beschreibt – und das hat viel Wahrscheinlichkeit –, dann muss es doch darum gehen: Wie stärken Alb und Allgäu jene Lebensgrundlagen, die gegen die Entvölkerung wirken, voran attraktive Arbeitsplätze? Wie verhindern Ballungsräume Ghettos und Dichtestress? Und wie bindet eine vorausschauende Verkehrspolitik die einen enger an die anderen?

Wer sich aktuell die Debatten und mehr noch die öffentlichen Haushalte anschaut, sieht aber ganz andere Schwerpunkte: Wohlstand ververspern, Besitzstände wahren. Das sind die falschen. Für Stuttgart wie für den Schwarzwald.