So soll der Bahnhof nach dem Umbau aussehen. Foto: Visualisierung: Ingenhoven/Deutsche Bahn

Der Hauptbahnhof wird entkernt. Danach entstehen darin ein Hotel und Geschäfte. Die Nutzung ist seit 2015 bekannt und wurde gebilligt. Denkmalschutz kann nicht bedeuten, dass jeder Eingriff unbesehen für illegitim erklärt wird, sagt Redakteur Josef Schunder.

Stuttgart - Keine Frage: Der Bonatz-Bau des Hauptbahnhofs ist eines der wichtigsten Wahrzeichen Stuttgarts und durch das S-21-Projekt böse gestutzt worden. Soll auf der Dachlandschaft des Denkmals nun auch noch ein Glasaufbau errichtet werden dürfen, nachdem schon der Nord- und der Südflügel abgerissen worden sind? Nein, ist man zu sagen versucht. Doch dieser Schluss ist voreilig.

Denkmalschutz kann nicht bedeuten, dass jeder Eingriff unbesehen für illegitim erklärt wird. Das hieße ja, zulasten der Eigentümer eine Käseglocke über Denkmäler zu stülpen, wenngleich sich die Welt rundherum ändert. Denkmalschutz heißt vor allem, wertvolle kulturgeschichtliche Zeugnisse zumindest in der Grundsubstanz zu erhalten und Veränderungen ablesbar zu machen. Die Kuppel über dem ehemaligen Reichstagsgebäude, die heute den Deutschen Bundestag ziert, ist das beste Beispiel dafür, dass man Bauten bewahren, aber auch die Weiterentwicklung zulassen kann. Darüber hat man sich in Deutschland einmal furchtbar aufgeregt, aber längst hat sich der Sturm gelegt.

Zugegeben: Eine Nutzung für den Bundestag und eine Gebäudenutzung für ein Hotel sind nicht vergleichbar. Aber die jetzt geplanten Veränderungen am Bonatz-Bau wurden 2015 eingehend beraten – und von Stadtverwaltung, Stadträten und Denkmalbehörden gebilligt. Daher sollte nun niemand überrascht sein, wenn es zum Vollzug kommt – solange mit den Maßnahmen der damals gefundene Kompromiss eingehalten wird. Demnach mussten die geplanten Glasaufbauten etwas zurückgesetzt werden, damit sie die Ansicht des historischen Bonatz-Baus nicht völlig verändern. Das Ergebnis, das damals zustande kam, ist in Ordnung. Glas ist transparent, das Material trotzdem ein Kontrast zum Stein des Denkmals. Die Veränderung wird also nicht kaschiert. Nicht ein zurückgenommener Glasaufbau ist das Problem. Der entscheidende Missgriff war der Umgang mit den Bahnhofsflügeln. Aber dieser Zug ist abgefahren.

josef.schunder@stzn.de