Streik der Lokführer in Stuttgart Foto: dpa

Rund 5,5 Millionen Menschen reisen täglich mit der Bahn. Sie alle sind betroffen, wenn beim Staatskonzern gestreikt wird. Ihr Zorn richtet sich gegen das Unternehmen. Dabei ist die Bahn in dem eskalierenden Konflikt eher in Schutz zu nehmen.

Die Deutsche Bahn ist Leidtragende eines Machtkampfes zwischen konkurrierenden Gewerkschaften und wird in Geiselhaft genommen – wie die Fahrgäste. Denn es ist beileibe nicht so, dass die Arbeitnehmervertreter, wie sonst bei Tarifauseinandersetzungen üblich, zunächst am Verhandlungstisch Platz genommen, die Kompromissbereitschaft der Arbeitgeberseite ausgelotet und dann als Ultima Ratio zum Ausstand aufgerufen hätten.

Nein, bei der Bahn geht es zwar auch um mehr Lohn für Lokführer und Bordpersonal, aber viel wichtiger ist: Es tobt ein Existenzkampf zwischen der großen EVG und der kleinen Lokführergewerkschaft GDL. Und hier kommt die Politik ins Spiel. Eigentlich sollte sie sich aus der Auseinandersetzung der Tarifvertragsparteien heraushalten. Doch Schwarz-Rot wird in Kürze ein Gesetz zur Tarifeinheit vorlegen. Es sieht vor, dass in einem Unternehmen für Menschen, die den gleichen Job machen, nicht zwei verschiedene Tarifverträge gelten dürfen. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, hätte es Konsequenzen für viele Unternehmen – und es wäre klar, dass nur noch die stärkste Gewerkschaft in einem Unternehmen Tarifverhandlungen führen darf.

An einem Überbietungswettbewerb der Gewerkschaften kann niemand Interesse haben: die Bahn nicht, deren Personalplanung mit unterschiedlichen Tarifvereinbarungen zu Lohn und Arbeitszeit mühsam würde, die Belegschaft nicht, die untereinander Streit bekäme, und auch nicht der Kunde, der bei den Streiks buchstäblich auf der Strecke bleibt.