Demonstrationsteilnehmer halten am Samstag in Mannheim während einer Demonstration Transparente. Foto: dpa

Nach dem blutigen Anschlag in Ankara am Samstag sehen die Türken für die Zukunft des Landes schwarz. Ein Kommentar von unserer Türkei-Korrespondentin Susanne Güsten.

Ankara - Der schlimmste Anschlag in der jüngeren türkischen Geschichte offenbart die unüberbrückbaren politischen Gegensätze im Land. Selbst diese Tragödie vermag es nicht, einen Zusammenhalt der Demokraten entstehen zu lassen, in dem alle Parteien im Parlament gemeinsam gegen den Terror Stellung beziehen. Im Gegenteil: Die Kurdenpartei HDP beschuldigt die von der AKP geführte Regierung, an einer brutalen Gewalttat gegen das eigene Volk beteiligt gewesen zu sein. Beweise dafür liefert sie nicht – warum auch, ihre Anhänger glauben ihr auch so. Auf der anderen Seite fertigt die Regierung in kalter Arroganz ihre Kritiker mit dem Hinweis ab, sie könne – selbst nach dem Tod so vieler Menschen – keine Mängel im Sicherheitsapparat erkennen. Wer kann da eine lückenlose Aufklärung des Anschlags erwarten?

Die Schiedsrichterrolle ist ausgehebelt

Die Polarisierung der türkischen Gesellschaft, von der Regierung jahrelang aus wahltaktischen Gründen vorangetrieben, ist so beherrschend geworden, dass es kaum noch Brücken zwischen den Lagern gibt. In einer nationalen Notlage wie nach dem Anschlag von Ankara müssten Demokraten jetzt zusammenstehen und über Parteigrenzen hinweg eine einheitliche Front gegen die Gewalttäter bilden. Doch davon ist in der Türkei weit und breit nichts zu sehen.

Präsident Erdogan hat durch seine parteiliche Amtsführung zugunsten der AKP die von der Verfassung vorgesehene politische Schiedsrichterrolle des Staatschefs ausgehebelt. Es gibt in der politischen Arena niemanden, der als Versöhner wirken und die diversen Akteure an einen Tisch bringen könnte. Kein Wunder, dass viele Türken für die Zukunft schwarzsehen. Hoffnungen, dass die Wahlen in drei Wochen eine Lösung bringen werden, gibt es kaum.