Die Frühbilanz des 45. US-Präsidenten fällt mies aus. Doch darüber kann sich weder Amerika noch die Welt freuen, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.
Stuttgart/Washington - „Ich schütze mich auch, indem ich flexibel bin. Nie bringe ich mich zu sehr mit einem Deal oder mit einer Methode in Verbindung.“ Diese Worte aus Donald Trumps Buch „Die Kunst des Deals“ charakterisieren trefflich den wechselhaft-chaotischen Regierungsstil des 45. Präsidenten der Weltmacht USA. Doch ist er nicht als zupackender Unternehmer-Präsident angetreten, der den Washingtoner Betrieb auf Vordermann bringen und Politik für die kleinen Leute machen wollte? Davon ist bisher kaum etwas zu sehen. Trotz aller hektischer Betriebsamkeit bis zuletzt – die pompös angekündigte, aber längst nicht umgesetzte große Steuerreform inklusive.
Wo sich Trump an die 230 Jahre alten demokratischen Spielregeln hält, kann er sich durchsetzen. Wie etwa bei der Ernennung des neuen Verfassungsrichters Neil Gorsuch, bisher Trumps einzigem großen Erfolg im Kongress. Im Fall seiner vollmundig angekündigten Gesundheitsreform – dem bisher größten Fiasko – scheitert Trump an der Zerrissenheit seiner eigenen Partei. Beim amateurhaften Vorgehen in Sachen Einreisestopp aus einigen überwiegend muslimischen Ländern bremsen ihn die US-Gerichte aus. Außerdem schauen ihm revitalisierte Bürgerrechtler und kritische Medien schärfstens auf die Finger. So zählen die akribischen Faktenchecker der „Washington Post“ seit Amtsantritt schon 417 „falsche oder irreführende“ Aussagen aus dem Mund des Präsidenten.
Immenser Vertrauensverlust
Quittiert wird das mit einem immensen Vertrauensverlust in der amerikanischen Öffentlichkeit. Noch nie sah sich ein US-Präsident in dieser Phase seiner Präsidentschaft mit niedrigeren Zustimmungswerten konfrontiert. Nur seine Kernanhängerschaft hält weiter zu ihm. Die Gewaltenteilung in den USA funktioniert also, bietet auch den Regelverstößen des neuen Mannes im Oval Office Einhalt. Eines Mannes, der weiter unter Verdacht steht, im Wahlkampf mit Wladimir Putins Russland illegal gemeinsame Sache gemacht zu haben und bis heute nicht sauber zwischen seinem Unternehmen und seinem Amt unterscheiden mag.
Wäre es da nicht gut, wenn dieser Präsident in seinen verbleibenden 1361 Tagen gar nicht so viel zustande brächte? Diese Hoffnung trügt. Zum einen wäre es verfrüht, aus Trumps Anfangsfehlern schon auf die ganze Amtszeit zu schließen. Zum anderen ist der Reformstau in den USA – von der Infrastruktur bis zum Rentensystem – zu groß, als dass sich das Land weiteren Stillstand erlauben kann. Von den weiter wachsenden Zweifeln vieler US-Bürger an der Politik ganz zu schweigen. Und auch außenpolitisch bleibt Amerika allen Schwärmereien für eine europäische Sicherheitspolitik zum Trotz viel zu wichtig. Ein starker Präsident, vernünftig beraten, ist für Wohlstand und Frieden in der Welt unverzichtbar. Das gilt für den Handel wie für Korea oder das Baltikum.