Griechenlands Ministerpräsident Tspiras pokert hoch Foto: EPA

Das Schuldendrama um Griechenland setzt sich fort, obwohl die Zeit immer knapper wird. Die Beteiligten können der Frage nicht mehr lange ausweichen, ob Griechenland im Euro bleibt oder nicht, kommentiert Wirtschaftsressortchef Klaus Köster.

Die Europäische Union geht mit Griechenland um wie ein Vater mit seinem Kind, das etwas ausgefressen hat. Sie gibt sich prinzipientreu und verlangt, dass so etwas wie das überzogene Schuldenmachen nie wieder vorkommt. Doch ein Kind merkt schnell, ob seine Eltern es ernst meinen oder nicht. Drohen sie Konsequenzen nur an, oder wollen sie diese tatsächlich durchsetzen? Davon hängt es ab, ob das Kind die Ansagen respektiert oder nicht. Die Regierung in Athen weiß zwar genau, dass die EU ihr harte Reformen abverlangt, am Ende aber vor Konsequenzen zurückschreckt, falls Athen die Forderungen in den Wind schlägt.

Chicken Game“ – Feiglingsspiel – lautet der Name eines Gedankenexperiments der Spieltheorie, auf die sich Wirtschaftsprofessor und Finanzminister Yanis Varoufakis spezialisiert hat. In einer der Varianten rasen zwei Autos aufeinander zu, und wer zuerst ausweicht, hat verloren. Um zu gewinnen, sind eine kühle Einschätzung des Gegenübers und die glaubwürdige Demonstration eigener Entschlossenheit entscheidend. Wird die EU Griechenland den Stecker ziehen, falls das Land die Bedingungen für die Abwendung einer Staatspleite durch Europa nicht erfüllt? Die Antwort ist einfach: „An uns darf Griechenland nicht scheitern“, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er hätte auch sagen können: Wenn ihr unsere Auflagen nicht erfüllen wollt, dann lasst es halt bleiben.

Die Konsequenzen eines Ausscheidens von Griechenland aus dem Euro wären für Griechenland gravierend, es müsste mit einem Zusammenbruch seines Finanzsystems rechnen, durch den die noch im Land verbliebenen Guthaben der Bürger verloren gehen. Für die EU würde ein Aus bedeuten, dass nach und nach alle staatlichen Garantien für die Geldgeber fällig werden und das bereits investierte Geld weg ist, was besonders Deutschland treffen würde. Doch dieses Szenario hat längst an Schrecken verloren, denn die Mehrzahl der Bürger geht ohnehin davon aus, dass das Geld weg ist; und auch an den Finanzmärkten würde sich der Schrecken inzwischen in Grenzen halten. Denn ein Großteil der Schulden liegt inzwischen bei den Staaten und nicht mehr bei Banken – und diese sind durch die Verschärfung staatlicher Auflagen heute eher in der Lage, Einbußen hinzunehmen.

Die Auswege sind für alle gesichtswahrend – aber sie sind keine Lösungen

Eine Antwort auf die Frage, ob Griechenland Hilfe zur Selbsthilfe erhält oder dauerhaft an den Tropf der EU angehängt wird, ist unausweichlich. Dennoch versuchen alle Beteiligten, dieser Frage auszuweichen. Um Härte zu demonstrieren, schließt die Europäische Zentralbank Griechenland von ihrem gigantischen Kaufprogramm für Staatsanleihen aus – zugleich stellt sie der Athener Zentralbank aber Notfallkredite zur Verfügung, die bei den Banken landen, die damit ihrerseits den Staat finanzieren.

So landet das frisch gedruckte EU-Geld dann doch bei der Regierung – mit dem Unterschied, dass Athen auf diesem Wege den harten Bedingungen für das Staatsanleihen-Programm entgehen kann. Die Schulden beim Internationalen Währungsfonds zahlt Griechenland mit dessen Krediten, die für Erdbeben und Überschwemmungen vorgesehen sind. So wahren alle Beteiligten wieder einmal ihr Gesicht – die EU verweist auf ihre Härte, Griechenlands Präsident verkündet seinem Volk, dass er die Forderungen der Geldgeber wieder mal abgebügelt hat.

Mit dieser Art des Schattenboxens lassen sich die eigentlichen Themen der Auseinandersetzung aber nicht lösen. Die Beteiligten spielen auf Zeit, obwohl die Pleite immer näher rückt. Was sich momentan zwischen der EU und Griechenland abspielt, hat wenig mit einer Sanierung zu tun und viel mit einer Insolvenzverschleppung.