Ohne Maulkorb: Bundespräsident Joachim Gauck Foto: dpa

Die Aufgabe eines Bundespräsidenten ist es, sich bekennen. Stellung zu beziehen. Wenn es sein muss, in Maßen zu provozieren. Erst recht wenn es gilt, die freiheitlich demokratische Grundordnung gegen rechte Dumpfbacken zu verteidigen, findet Wolfgang Molitor.

Berlin - Der Bundespräsident wirkt durch das Wort. Lässt Joachim Gauck den Verfassungsrichtern ausrichten. Kürzer, treffender kann man es nicht sagen. Durch das Wort Einfluss zu nehmen, vor Missständen zu warnen und sich schützend vor das Grundgesetz zu stellen, wo immer es nötig erscheint: Das ist eine vornehme Pflicht des deutschen Staatsoberhauptes.

Eine schwierige obendrein. Vom salbungsvoll Nichtssagenden, geschwollen Bedeutungsvollen oder altväterlich Fröhlichen reicht in der Regel die Präsidenten-Palette. Was aber, wenn einer wie Gauck das Wort tatsächlich als politische Waffe einsetzt, Rechtsextremisten „Spinner“ schimpft und ihre politische Hetze „eklig“ nennt? Hätte der Bundespräsident da nicht besser geschwiegen? Oder gar schweigen müssen – wie es die widerlich braune NPD in frecher wie falscher Opferrolle beklagt und vor dem Verfassungsgericht propagandistisch auszuschlachten versucht?

Die Antwort ist: Nein, er muss sich bekennen. Stellung beziehen. Wenn es sein muss, in Maßen provokant. Erst recht wenn es gilt, die freiheitlich demokratische Grundordnung gegen rechte Dumpfbacken zu verteidigen. Gauck hat der NPD mit seiner pointierten Beurteilung im Bundeswahlkampf nicht geschadet, sondern gerade da, wo man es vom Staatsoberhaupt erwarten darf, Haltung bewiesen. Vorbildlich und stark statt neutral und schwach. Wie hätte er die braune Horde auch diffamieren können, als sie sich vor einem Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf vor aller Augen ausländerfeindlich pöbelnd selbst entblößte?

Die Richter werden – juristisch abwägend und klug – Gauck nicht mundtot machen. Weil der Bundespräsident nur ohne Maulkorb wirkt. Durch das Wort.

w.molitor@stn.zgs.de