Ein Radio-DJ seit 1967: Rainer Nitschke (rechts sein Kumpel Freddy Quinn) Foto: /: privat

Mit 66 Jahren fängt das Leben an, sang Udo Jürgens. Doch wie ist das mit 77? Rundfunk-Legende Rainer Nitschke, ein Radio-DJ seit 1969, berichtet unserem Kolumnisten darüber. Und DJ Robin, 28, erzählt von einem Auftritt dort, wo ein Skandal begann.

Im Alter sind noch viele Überraschungen drin. Ja, da muss noch lang nicht alles vorbei sein! Rainer Nitschke, ein Urgestein des deutschen Radios, der den SDR und den SWR über Jahrzehnte ganz wesentlich geprägt hat, redet an seinem 77. Geburtstag darüber. Der Journalist aus Stuttgart gratuliert ihm am Telefon und will wissen, wie es dem Moderator geht, der seit vergangenem Sommer in Kehl im Schwarzwald lebt.

„Ich bin etwas gestresst“, antwortet Nitschke, „aber es läuft.“ Noch immer moderiert der gebürtige Stuttgarter beim bundesweit empfangbaren Schwarzwaldradio, wo er mit Vorliebe internationale Popmusik von den 60er Jahren bis zu den Nullerjahren spielt. Seine Sendung läuft jeden Samstag von 15 bis 19 Uhr und jeden Sonntag von 14 bis 18 Uhr live. Und nun kam noch eine Anfrage von der ARD, ob er nicht eine Schlageroldie-Radioshow präsentieren wolle. „Das Publikum von früher gibt es ja noch immer“, sagt er.

Der Stuttgarter Journalist erzählt ihm, dass er im Zeitungsarchiv unter anderem ein Foto von Freddy Quinn und ihm gefunden hat. Ob er noch Kontakt zu dem Junge-komm-bald-wieder-Sänger habe? „Aber natürlich“, antwortet Nitschke, „dem Freddy geht’s auch gut. Er hat schon ’ne neun davor, lebt in der Schweiz und hat erst geheiratet.“

So viel zum Thema Überraschungen im Alter. Und wann heiratet Rainer Nitschke? „Erst wenn ich 90 bin“, sagt der Radiomann. Dass er nicht mehr im hektischen Köln lebt, wo er für den WDR gearbeitet hat, sondern im erholsamen Schwarzwald, diene dem Wohlbefinden und der Gesundheit. Aber er vermisse auch sehr das Bohnenviertel, in dem er in seiner Stuttgarter Zeit gelebt hat, und das Basta, sein damaliges Stammlokal.

Mit 19 Jahren stand er auf der Bühne der Komödie im Marquardt

Den 77. Geburtstag hat der Moderator, der mit 19 Jahren als Schauspieler auf der Bühne der Komödie im Marquardt gestanden hat, mit Freunden bei ihm im 500-Einwohner-Dorf Odelshausen, einem Stadtteil von Kehl, gefeiert. Über das Internet verfolgt er ganz genau mit, was in seiner Geburtsstadt geschieht, kommentiert oft Beiträge unseres Portals „Stuttgart-Album“. Zu einem Foto vom einstigen Haus von Spielwaren Kurtz, in das bald das Auktionshaus Eppli einzieht, schrieb er: „Für mich als Junge war Kurtz das Geschäft meiner Träume. Wieder einmal ist ein Stück Stuttgart verloren gegangen.“

Man nannte ihn „die Stimme des Südens“. Er hat Peter Maffay groß gemacht und bei Nena die Notbremse gezogen.

Zu Maffay fällt ihm ein: „Sein Entdecker war der Textdichter Michael Kunze. Ich habe das erste Interview seiner Karriere gemacht. Kunze rief mich an, ob ich Interesse hätte, seinen neuen Künstler zu interviewen. Ich war 23, Peter 21. Peter brachte sein Lied ,Du‘ mit und war extrem aufgeregt. Ich konnte ihn in der Sendung beruhigen. Lustigerweise erzählt Peter diese Geschichte seit über 50 Jahren, wie er bei mir zum ersten Mal ein Funkhaus von innen gesehen hat.“

„Arroganz von Künstlern habe ich nie toleriert“

Und Nitschke erzählt sodann, warum er einst Nena aus einer Livesendung rausgeworfen hat: „Der Grund war ihr unmögliches Benehmen gegenüber einem Kollegen von SDR 3. Das hat alle backstage empört, die das mitbekommen haben, und ich bin auf die Bühne und hab’ dem Publikum erklärt, warum wir auf Nena verzichten. Das Tolle war, dass das Publikum das verstand und akzeptierte. Ich habe immer Wert darauf gelegt, eine gute Atmosphäre zu haben. Arroganz von Künstlern habe ich niemals toleriert.“

DJ Robin und seine Frau Deborah Leutner überreichen einen Scheck an Christian Semrau (Mitte) vom Stuttgarter Kinderhospiz. /privat

Mit 20 Jahren hat Nitschke seine Karriere als Radio-DJ in Luxemburg begonnen – und hat mit 77 Jahren seine Leidenschaft für die Musik nicht verloren. Da könnte also auf DJ Robin, einem Musikverrückten der Next Generation, noch einiges zukommen. Der „Layla“-Sänger hatte bis Aschermittwoch großen Spaß als Prinz der Ditzinger Karnevalsgesellschaft Titzo mit seiner Frau Deborah Leutner als Faschingsprinzessin an seiner Seite. Wegen der tollen Tage verzichtete er auf Auftritte auf der Partyinsel Mallorca, seiner zweiten Heimat. Gerade weil es ihm so gut geht, will er nicht diejenigen vergessen, deren Leben ein Kampf ist.

Alle Einnahmen seiner Faschingsauftritte (ein vierstelliger Betrag) spendet DJ Robin dem Stuttgarter Kinderhospiz, das er nicht zum ersten Mal besucht hat. Christina Semrau, bei der Einrichtung an der Diemershaldenstraße für Fundraising verantwortlich, empfing ihn dort erneut und freute sich. Ein Besuch im Hospiz wühlt auf. Danach sieht man vieles mit anderen Augen und erkennt, wie unwichtig so manches von dem ist, was einen sonst umtreibt.

Wie wichtig sind Skandale für einen Song? Dass „Layla“ so hoch kam, liegt mit an der Jungen Union (JU) Hessen. Als der CDU-Nachwuchs die Hymne auf die Puffmama öffentlich spielte, war die Aufregung groß – wenig später hat die Stadt Würzburg den Ballermann-Knaller auf ihrem Volksfest verboten. Knapp zwei Jahre danach engagierte die JU Hessen jetzt nach Fasching DJ Robin als Sänger für eine Party. Eines ist klar: Skandale sind irgendwann mal keine mehr. Wer heute „Layla“ singt, provoziert nicht mal mehr. Was so heiß war wie eine überhitzte Suppe, ist früher oder später doch bekömmlich.