Klimanotstand auf der Erde? Die Herrenberger Verwaltung will lieber einen guten Platz auf einer Rangliste. Foto: dpa

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche ist der Notstand in Herrenberg ausgebrochen, während in Sindelfingen die Welt wieder in Ordnung ist.

Herrenberg - Die Böblinger Grundbesitzer und Bauunternehmer leben offensichtlich noch in der Vergangenheit. Während bundesweit die Zeiten rasant steigender Mieten zu Ende gehen, findet im Kreis das Gegenteil statt. Mit einer Steigerungsrate von fast zehn Prozent liegt die Stadt Böblingen beim maximalen Anstieg der Neuvertragsmieten hinter Bietigheim-Bissingen und Remseck auf Platz drei. Beim Vergleich der Preissteigerungen für Eigentumswohnungen stehen Leonberg auf Platz zwei und Sindelfingen auf dem Dritten.

Der Kreis ist Spitzenpositionen gewohnt, und kommt deshalb auch mit dieser Sonderstellung zurecht, könnte man jetzt sagen. Tatsächlich lässt sich diese These nicht so einfach halten. Bei einer im Sommer veröffentlichten Studie zur wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit der Städte und Kreise in Deutschland schaffte es Böblingen nur noch auf den siebten Platz. Der Landkreis behaupte sich in den Top Ten deutschlandweit. Landrat Roland Bernhard bemühte sich um positiv klingende Worte: „Dass wir den vierten Platz aus der letzten Untersuchung abgeben mussten, zeigt allerdings wie sehr wir uns anstrengen müssen, um für Unternehmen und Fachkräfte attraktiv zu bleiben.“

Zurückhaltende Resonanz im Start-Up-Planet

Wie groß die Anstrengungen sein müssen, zeigt der Start-Up-Planet von Sindelfingen. Die Versuche der Wirtschaftsförderung, wenigstens Unternehmensgründern die steigenden Mieten zu ersparen, trafen bisher eher auf zurückhaltende Resonanz. Nach der Büroeröffnung im März dauerte es vier Monate, bis die erste Mieterin gefunden war. Der Laden brummt wohl erst, wenn die Zukunftsfähigkeit des Kreises auf ein Normalmaß und die Mieten auf Berliner Niveau gesunken sind.

„Schritt für Schritt geht es voran“, bleibt der Wirtschaftsförderer Sascha Dorday anders als der Landrat entspannt. Denn mittlerweile ist der Start-Up-Planet schon von drei Betrieben besiedelt. „Mit jedem weiteren Einzug und jeder weiteren Veranstaltung treiben wir unser Ziel des Aufbaus eines Ökosystems für Gründer voran“, erklärt er weiter. Dabei handelt es sich übrigens genau genommen um eine Lebensgemeinschaft von Organismen mehrerer Arten und nicht um drei bis vier Homos sapiens. Aber da davon auszugehen ist, dass in dem Gebäude auch ein paar Spinnen und Fliegen vegetieren, ist die Verwendung des Begriffs in Ordnung.

Der OB verbreitet Optimismus

„In Sindelfingen tut sich viel“, verbreitet auch OB Bernd Vöhringer weiterhin Optimismus für sein Biotop. Damit es ihm seine Bürger glauben, lädt er demnächst zu einer Busrundfahrt ein. Was er dabei zeigen will, bleibt angesichts der verhängten Haushaltssperre ein Rätsel – außer vielleicht den Baufortschritt im Neubaugebiet Allmendäcker für im bundesweiten Vergleich überteuerte Wohnungen.

Auch wenn ihn die Grünen sicherlich zurecht zuerst für Sindelfingen beantragt hatten: Der Klimanotstand ist diese Woche über Herrenberg hereingebrochen. Und zwar so heftig, dass das Thema vorerst von der Tagesordnung des Gemeinderats genommen werden musste. Die Stadt will nämlich lieber dem Programm European Energy Award beitreten. Wenn dessen Ziele erreicht werden, gibt es einen Platz auf einer Rangliste. Das klingt allemal besser, als, wie von den Grünen und der SPD gewünscht, eine Krise auszurufen und somit den falschen Eindruck zu erwecken, Herrenberg unternehme in Sachen Klimaschutz zu wenig, erläuterte die Verwaltung. Doch damit demonstrierte sie nur, dass sie wie die Grundbesitzer und Bauträger in der Vergangenheit lebt. Die Begründung sei falsch, erklärte Stadträtin Heike Voelker (Grüne): „Leider ist zutreffend, dass nicht genug getan worden ist.“