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Vor ein paar Tagen hat eine „Elfenbeauftragte“ die Autbahn A2 „mit energetischen Mitteln versiegelt“. Für Kenner von Supercomputern ist das Schnee von gestern, sagt Kolumnist Peter Glaser. Denn in deren Geschichte gebe es auch Fabelwesen.

Chippewa Falls - Eine Nachbemerkung zu der vor ein paar Tagen auffällig gewordenen Melanie Rüter, einer Spezialistin für Naturgeister und Elfen („11“, „11“), die von der niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eingeladen worden war, die Vielzahl der Unfälle auf der stark befahrenen A2 mit energetischen Mitteln zu reduzieren. Für Supercomputerinteressierte ist das alles Schnee von gestern.

Seymour Cray, der Erfinder des Supercomputers, bezog in den 70er und 80er Jahren seine Inspirationen bei der Konstruktion der Rechengiganten aus einem Tunnel unter seinem Haus. Immer während die jeweils neueste Generation der Zahlenfresser auf seinem Schreibtisch Form annahm, grub Cray an dem Stollen weiter, der von seinem Haus in Chippewa Falls im US-Bundesstaat Wisconsin auf einen nahegelegenen Wald zuführte. Als einmal ein Baum in den Tunnel einbrach, nutzte er das entstandene Loch, um einen Ausguck mit einem Periskop zu installieren. „Ich arbeite drei Stunden”, vertraute der scheue Genius einem Besucher an, „dann stumpfe ich ab und komme nicht mehr voran. Also arbeite ich an dem Tunnel weiter. Wir befinden uns in den Wäldern von Wisconsin, hier gibt es Elfen. Wenn die merken, dass ich aus dem Büro gehe, kommen sie und lösen alle Probleme, die ich zurückgelassen habe.”

1976 war Cray der Supercomputer schlechthin

Die nach ihrem Schöpfer benannte Cray-1 war 1976 der Supercomputer schlechthin. Die auf 3400 Platinen in seinem Inneren gepackten 200 000 Chips konnten 160 Millionen Rechenschritte pro Sekunde ausführen. Um zu veranschaulichen, wie unfaßbar groß eine Zahl mit 1024 Bits Länge ist, schrieb ein Mathematiker: „Wenn sich in jedem Atom im Universum eine Cray-1 befände und alle gemeinsam zählen würden, würde es die Lebenszeit des ganzen Universums übertreffen, auch nur annähernd so weit zu zählen.” Es gab etwa 80 Kunden weltweit.

Eine Cray sieht aus wie eine Mischung aus Wolkenkratzermodell und Hightech-Kachelofen, umschlossen von einer Art gepolsterter Ofenbank. Tatsächlich kamen die extrem dicht gepackten Drähte im Inneren ins Glühen, weshalb die Rechner mit einem mächtigen Kühlsystem ausgestattet waren – „und nur die wenigsten wissen”, verriet Cray in einem seiner seltenen Interviews, „dass die Flüssigkeit, die wir verwenden, um unsere Cray zu kühlen, auch als künstliches Blut verwendet wird.” In Deutschland begann das Zeitalter der Supercomputer 1980 mit der Installation einer Cray-I im Max Planck-Institut in Garching bei München und einer weiteren bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. 1988 wuchs der Supercomputer-Markt in Deutschland um beeindruckende 31 Prozent, da sich die Automobilhersteller Opel, VW, Mercedes und BMW jeweils mit dem aktuellen Modell Cray-XMP ausstatteten, um darauf Crashtests und Materialsimulationen durchzuspielen. Unklar ist, wie weit sich die Entstehungs-Elfen auf die Ergebnisse der in Deutschland stationierten Maschinen und also auch die Unfalllastigkeit der darauf getesteten Autos auswirkte.

Am 5. Oktober 1996 starb Seymour Cray 71jährig unverschuldet bei einem Verkehrsunfall. Auf der Homepage der Firma Cray Research wurde der Tod des Firmengründers angezeigt, darunter unabsichtlich ein Werbebanner mit einem Slogan der Firma Silicon Graphics, die im Frühjahr 1995 die in Konkurs gegangene Cray Computer Corporation übernommen hatte - „We’ll take Your breath away“.