Kinder werden so schnell erwachsen. Foto: IMAGO//ImageBROKER/CEZARY MAJCHER

Kindermund tut Wahrheit kund – oder eben den Quatsch, den ihre Eltern so von sich geben. Wenigstens das: Unser Autor lernt sich nun selbst besser kennen.

„Tschüss, blöde Stinkestadt“, sagt der Dreijährige als wir Stuttgart gerade mit dem Auto verlassen. Er lacht und die Mutter aus Köln sagt „Also, ich weiß auch nicht, woher er das hat!“ – so übereifrig überrascht, dass sich nun sogar der Hund im Auto das Lachen verkneifen muss. Man ahnt also, was die Mutter so redet, wenn der Vater nicht im Auto sitzt. „War ein Spaß“, sagt der Kleine und lacht noch immer.

Aber es ist halt so: Dass der Moment gekommen ist, in dem Kinder genau verstehen, was die Eltern so von sich geben – man merkt das dann, wenn sie es kundtun. Einige Zeit lang schien das kein Thema zu sein, doch spätestens jetzt ist klar: Bei Kindern geht ungebremst raus, was ungefiltert reingekommen ist. Freundliche Übernahme von Worten, Schrullen und anderen Eigenarten der Erwachsenen – und besonders der Eltern.

Das Kind macht sich Notizen

Kleine Lästereien, flapsiger Quatsch oder ehrliche Wut – zack, das Kind macht sich Notizen und wendet das neu gelernte umgehend an. „Verstanden?!“, sagt er und schaut mich ernst an. Selbst Eigenarten, wie sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter zu klemmen, werden vom Kind bereitwillig nachgespielt. Manchmal sitzt er am Computer und tut so, als würde er arbeiten. „Psst, Papa!“

Verarscht wird man auch: „Papa!“, ruft der Kleine, als er im Sandkasten auf dem Spielplatz sitzt. Als ich hinschaue, steht er ungelenk auf und ächzt dabei „Orr, aua, mein Knie!“, dann lacht er dreckig. Manchmal fragt er: „War das lustig?“

Als ich kläglich am Männlichkeitsritual der Heimwerkerarbeit scheitere und entnervt rufe: „NA DANN BIN ICH HALT ZU DOOF!!“ , dreht sich der Kerl zur Mutter, zuckt mit den Schultern und sagt: „Mama, der Papa ist zu doof!“. Ja, so läuft das ab jetzt. Eine amüsante Mischung aus Adaption und Rebellion – Letzteres leider gegen mich.

Nicht zu wichtig nehmen

„Kinder sind die ironische Antwort auf die eigenen Defizite,“ sagt ein Kollege gerne. Er hat vermutlich recht. Aber wenigstens hilft es dabei, sich als Eltern nicht über Gebühr zu wichtig zu nehmen. Oder in manchen Lebenslagen wenigstens ein bisschen aufzupassen, dazuzulernen oder die eigenen Schrullen nicht ohne Not zur unabdingbaren Nostalgie zu verklären. Also, nicht alle. Hugh.

Michael Setzer ist seit mehr als drei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.