Seine Reform erntet Protest: Gesundheitsminister Gröhe Foto: dpa

Die Krankenhaus-Reform der Großen Koalition stößt auf erbitterten Widerstand. Hinter dem Konflikt steht der Streit um die künftige Kliniklandschaft.

Berlin/Stuttgart - Deutschlands Kliniken gehören zu den besten weltweit, das ist unbestritten. Aber sie sind auch ziemlich teuer. Knapp 68 Milliarden Euro haben allein die Gesetzlichen Krankenkassen 2014 für Behandlungen im Krankenhaus ausgegeben. Das entspricht etwa einem Drittel der Gesamtausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zum Vergleich: 2004 flossen gerade mal 47 Milliarden Euro.

Jahr für Jahr steigen also die Klinikausgaben, und das tun sie meist stärker als die übrigen Ausgabenposten in der GKV. Jahr für Jahr müssen die Krankenkassen entsprechend mehr Geld der Beitragszahler in den stationären Sektor pumpen. Kein Wunder, dass die Politik angesichts dieser Entwicklung alarmiert ist. Wiederholt hat sie sich deshalb in den vergangenen Jahren an Reformen des stationären Sektors versucht, um der Ausgabendynamik Einhalt zu gebieten. Aber die Erfolge waren bescheiden.

Als nun die Große Koalition in Berlin einen neuen Anlauf unternahm, weckte das hohe Erwartungen. Zumal die Reform im Vorfeld ehrgeizig damit beworben wurde, dass es darum gehe, die Klinikfinanzen auf eine neue Basis zu stellen. Auch die Krankenhäuser hofften auf grundlegende Änderungen. Sie klagen nämlich seit langem darüber, dass immer noch zu wenig Geld fließe, um Betriebskosten (dafür ist der Bund über die Krankenkassen zuständig) und Investitionskosten (dafür sind die Länder zuständig) zu decken. Weil inzwischen fast jede zweite Klinik rote Zahlen schreibt, ist diese Kritik nicht von der Hand zu weisen.

60 Millionen Euro jährlich fehlen

Als der Gesetzentwurf schließlich auf dem Tisch lag, war die Enttäuschung bei den Kliniken groß. Obwohl Bund und Länder gemeinsam die Eckpunkte der Reform ausgehandelt hatten, wurde es nichts mit der grundlegenden Neuordnung der Finanzen. Im Gegenteil, aus Sicht auch der Kliniken im Südwesten verschlechtert sich die Lage durch die Reform sogar noch.

Beispielhaft nennt Detlef Piepenburg, Heilbronner Landrat und Präsident der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), den Wegfall des 2013 eingeführten Versorgungszuschlags. 60 Millionen Euro würden den Kliniken im Land dadurch pro Jahr fehlen, das entspreche 1000 Pflegestellen. Da helfe es nicht, wenn durch die Reform im Gegenzug Geld für einige hundert neue Stellen fließe.

Auch bei den Preisen, nach denen die Kliniken vergütet werden, ändere sich nichts, so Piepenburg. Zwar würden ein paar Stellschrauben gelockert. Es bleibe aber dabei, dass der Grundpreis für die Kliniken, der sogenannte Landesbasisfallwert, nicht in gleichem Umfang steigt wie die Klinikkosten – etwa wenn höhere Tariflöhne gezahlt werden müssen oder höhere Preise für Energie. Die Unterfinanzierung werde fortgeschrieben, so der BWKG-Präsident.

Schlechte Qualität soll bestraft werden

Der Frust ist daher groß, gerade auch beim Klinikpersonal. Die Arbeitsbelastung ist in den vergangenen Jahren gestiegen, weil viele Häuser in ihrer Finanznot beim Personal gespart haben. Am heutigen Mittwoch wollen Ärzte, Pflegekräfte und Verwaltungsmitarbeiter ihrem Ärger Luft machen. Meist zwischen 13 und 14 Uhr, nach Ende der Frühschicht, dürften sich auch in Baden-Württemberg Tausende am bundesweiten Aktionstag gegen die Klinikreform beteiligen, zu dem ein breites Bündnis aus Klinikverbänden und Gewerkschaften aufgerufen hat.

Bei den Protesten werden die Klinikmitarbeiter auch gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Front machen, Kliniken künftig nach der Behandlungsqualität zu vergüten. Wer dauerhaft schlechte Qualität liefert, soll weniger Geld bekommen. Solchen Häusern soll sogar die Schließung drohen. Gute Qualität dagegen soll entsprechend besser vergütet werden. Die Kliniken lehnen das ab. Qualität im Krankenhaus sei kaum zu messen, die gängigen Verfahren seien völlig unzureichend und unfair.

Es handelt sich um einen Grundsatzkonflikt. Gröhe weiß in diesem Konflikt die Krankenkassen auf seiner Seite. Anders als er drängen sie ganz offen auf einen entschlossenen Umbau der Kliniklandschaft – hin zu weniger Standorten mit konzentriertem und hoch spezialisiertem Leistungsangebot. Nur so sei die Ausgabenspirale zu stoppen, argumentieren sie.