Das frühere Roncalli-Haus in Oeffingen Foto: Patricia Sigerist

Nächster Dämpfer für die Stadt Fellbach und den Rems-Murr-Kreis. In das  vor kurzem geräumte bisherige Asylheim im Stadtteil Oeffingen werden keine Flüchtlinge zurückkehren können. Darauf deutete die Verhandlung  vor dem Verwaltungsgericht  Stuttgart hin.

Nächster Dämpfer für die Stadt Fellbach und den Rems-Murr-Kreis. In das  vor kurzem geräumte bisherige Asylheim im Stadtteil Oeffingen werden keine Flüchtlinge zurückkehren können. Darauf deutete die Verhandlung  vor dem Verwaltungsgericht  Stuttgart hin.

Stuttgart/Fellbach - Allerorten in der Region Stuttgart suchen die Behörden händeringend nach Unterkünften für die Asylbewerber. Die Zahlen sind in den vergangenen Monaten derart angestiegen, dass sogar daran gedacht wird, Sporthallen umzuwidmen. Mittlerweile behelfen sich viele Städte mit Schnelllösungen in Systembauweise, also Containern auf freien Flächen. Doch häufig protestieren dort Anwohner gegen Asylbewerber vor der eigenen Haustür oder wehren sich juristisch gegen die Belegung von früheren Fabriken durch Flüchtlinge.

Ein derartiger Rechtsstreit tobt seit Jahren auch im Fellbacher Stadtteil Oeffingen. Dort befindet sich im Gewerbegebiet, als „Handwerkergebiet“ bezeichnet, das sogenannte Roncalli-Haus, das bis Ende 2010 als „Lehrlingswohnheim“ für eine Berufsfördermaßnahme des Caritas-Verbandes Baden-Württemberg genehmigt war. Im September 2012 erteilte die Stadt Fellbach dem Eigentümer eine Baugenehmigung zur Nutzung als Asylbewerberunterkunft. Doch die Nachbarn – eine Familie, die dort einen Fliesen- und Natursteinhandel betreibt, wie es am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht hieß – wehrten sich gegen diese Genehmigung. Die Stadt hielt dagegen und erhielt zunächst vom Verwaltungsgericht und vom Stuttgarter Regierungspräsidium Unterstützung. Diese Asylbewerberunterkunft in einem Gewerbegebiet könne ausnahmsweise zugelassen werden, so der Tenor.

Die Erleichterung beim Rems-Murr-Kreis währte freilich nicht lange. Denn der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Sitz in Mannheim stellte sich auf die Seite der Nachbarn: Die Baugenehmigung dürfe nicht vollzogen werden, denn der geltende Bebauungsplan lasse eine solche Nutzung nicht zu. Zudem wurde angeordnet, dass die Stadt Fellbach die Nutzung des Roncalli-Hauses als Asylunterkunft zum 1. Juni 2014 untersagen müsse. So kam es denn auch: Die knapp 60 Oeffinger Flüchtlinge sind ausgezogen und leben mittlerweile in einer Containerunterkunft beim Max-Graser-Stadion in der Kernstadt. Zudem lässt die Verwaltung bis Herbst im Gebiet Erbach am östlichen Stadtrand eine Asylunterkunft für 180 Flüchtlinge bauen.

Damit ist der Rechtsstreit indes keineswegs zu Ende. Denn der VGH hatte lediglich die Eilanträge der Kläger behandelt. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart geht es nun ums Grundsätzliche. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Sachsenmaier bescheinigte zwar dem VGH, sich „weit aus dem Fenster gelehnt“ zu haben. Doch ließ er erkennen, dass er eher dazu tendiert, sich der Auffassung der höheren Instanz des VGH anzuschließen. Nachdem der Anwalt der Nachbarn eine von der Gegenseite angeregte Sprungrevision direkt zum Leipziger Bundesverwaltungsgericht abgelehnt hat, wird es nun wohl auf eine weitere Verhandlung vor dem VGH in Mannheim hinauslaufen.

Der Justiziar des Rems-Murr-Kreises, Günther Meinhold, klagte am Dienstag im Gerichtssaal , „die Rechtsprechung fällt uns in den Rücken“. Derzeit könnten 79 dem Landkreis zugewiesene Flüchtlinge nicht untergebracht werden, „bis zum Jahresende sind es 300“. Man suche intensiv nach Unterbringungsmöglichkeiten, doch die Unterstützung in manchen Kommunen lasse zu wünschen übrig. In Weinstadt sei das ehemalige Jugendheim auf dem Schönbühl hoch über Beutelsbach an einen Investor verkauft worden, obgleich der Landkreis dort schnell hätte Asylbewerber unterbringen können. „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, aber vom VGH würden derartige öffentliche Belange nicht berücksichtigt, so der enttäuschte Rems-Murr-Vertreter.

Fellbachs OB Christoph Palm zeigte sich bereits vor einigen Wochen angesichts der Lage in Oeffingen frustriert: „Wie soll die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Asylbewerbern und ihren Familien während ihres Anerkennungsverfahrens eine menschwürdige Unterbringung möglich zu machen, bewältigt werden, wenn das aktuelle Recht die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vorschreibt, diese aber trotz akuter Notlagen weder in reinen Wohngebieten, in Industriegebieten noch in solchen Gewerbegebieten zulässig sein sollen?“

Hintergrund

Widerstand gegen Asylheime gibt es auch in der Landeshauptstadt immer wieder. So drohten im Frühjahr Immobilieneigentümer im Feuerbacher Wohngebiet Hattenbühl mit Schadenersatzforderungen, falls die Stadt dort eine Asylunterkunft errichte. Der Standort wurde kurz danach vom Gemeinderat vorläufig auf Eis gelegt.

Proteste gegen eine geplante Unterkunft gab es ebenfalls in Feuerbach, und zwar durch die Interessengemeinschaft Schelmenäcker-Süd. Bei der Prüfung möglicher Standorte habe die Verwaltung mit „fadenscheinigen Argumenten“ und zweifelhaften rechtlichen Einschätzungen die städtischen Gremien hinters Licht geführt, hieß es. Ende März beschloss der Gemeinderat dennoch die Unterkunft in Systembauweise.

Im alten Olgahospital sind derzeit 148 Flüchtlinge untergebracht. Bis zum 28. Juli ist die Maximalzahl von 160 Asylbewerbern erreicht. Wenn man das frühere Kinderkrankenhaus nicht belegen wolle, könnte man nur noch Turnhallen heranziehen, sagte Stuttgarts OB Fritz Kuhn kürzlich. Trotz mancher kritischer Stimmen ist nach Einschätzung von Stefan Spatz, dem Leiter der Lenkungsgruppe Flüchtlinge im Sozialamt, in der Bürgerschaft „eine sehr erfreuliche Akzeptanz und Willkommenskultur in der weltoffenen Landeshauptstadt Stuttgart für die neuen Nachbarn zu spüren“.

An sechs Standorten im Stadtgebiet werden in den kommenden Monaten Asylunterkünfte in Systembauweise realisiert: In Plieningen, Im Wolfer (159 Plätze, Belegung ab August 2014), Zuffenhausen, Zazenhäuser Straße (156 Plätze, ab September), Bad Cannstatt im Neckarpark (243 Plätze ab Oktober), Möhringen, Lautlinger Weg (159 Plätze, ab Dezember), Mühlhausen, Wagrainstraße (243 Plätze, ab Februar 2015) und eben Feuerbach mit Schelmenäcker-Süd (78 Plätze, Belegung ab Februar 2015).

Seit Januar sind 602 Flüchtlinge neu aufgenommen worden. Damit ist die Gesamtzahl der in Stuttgart untergebrachten Flüchtlinge bis zum Dienstag auf 1986 gestiegen. Bis Jahresende dürften insgesamt 2800 Flüchtlinge untergebracht sein.