Alle sind eingeladen. Jeder soll teilhaben können am Deutschen Evangelischen Kirchentag. Für die rund 3000 behinderten Menschen, die zu der Großveranstaltung vom 3. bis 7. Juni in Stuttgart erwartet werden, wollen die Veranstalter deshalb möglichst viele Barrieren aus dem Weg räumen.
Stuttgart - Schneller als die Zuhörer gucken können, tippt Daniel Mende alles, was gesagt wird, über seine Stenografiermaschine in den Computer. Per Projektor wird es an die Wand geworfen: „Auch Gehörlose können die Veranstaltungen des Kirchentags verfolgen“, steht jetzt in gut lesbaren Buchstaben dort. Bei der Pressekonferenz in Rudolfs Küche und Café am Rotebühlplatz demonstriert Mende, wie er und seine Kollegen die Veranstaltungen beim Kirchentag für Gehörlose lesbar machen. Sie tippen das gesprochene Wort so schnell in ihre Stenografiermaschinen, dass die gehörlosen Kirchentags-Besucher es nur mit minimaler Verzögerung nachlesen können.
Schriftdolmetscher wie Mende oder Gebärdensprachdolmetscher sollen die Veranstaltungen für Gehörlose oder Gehörgeschädigte übersetzen. „Es war den Mitgliedern der Projektgruppe ’Kirchentag barrierefrei’ wichtig, die Teilnahme auch für Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen zu verbessern“, sagt Frank Kissling , einer der Projektleiter.
Von den 2500 Veranstaltungen wird ein Großteil durch technische Einrichtungen oder durch Gebärdensprache verständlich gemacht. Im Zentrum „Kirchentag barrierefrei“ im Zelt 11 der Zeltstadt auf dem Cannstatter Wasen sollen außerdem Simultanübersetzungen in eine leicht verständliche Sprache erprobt werden. „Das ist die Voraussetzung dafür, das Menschen mit geistigen Einschränkungen am Kirchentag teilhaben können“, stellt Kissling fest.
40 Betten zum Ausruhen
Aber auch an Kleinigkeiten, die den Besuchern die Teilnahme am Kirchentag im wahrsten Wortsinn erleichtern können, ist gedacht: Die „stillen Örtchen“ werden nicht nur durch Piktogramme wie Männlein und Weiblein ausgezeichnet. Auf dem Wasen weisen große Schilder mit Abbildungen einer Toilette den Weg zu selbiger. „Solche Plakate sind leichter zu verstehen als Piktogramme“, ist Kissling überzeugt.
Weil ein Kirchentag sehr lang und anstrengend sein kann, gibt es im Zentrum „Kirchentag barrierefrei“ eine Rückzugsmöglichkeit mit 40 Betten zum Ausruhen. Dort werden die Besucher von Schülerinnen der städtischen Altenpflegeschule betreut. In dem Zentrum ebenfalls erhältlich: sämtliche Infos über Fahr- und Begleitdienste.
Tandems für Gehbehinderte
Da sein und klarkommen auf dem Kirchentag ist das Eine. Aber man muss auch hinkommen zu den Veranstaltungen in der Innenstadt und im Neckarpark. Die Johanniter sind mit 70 Fahrzeugen für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte im Einsatz. Außerdem wird erstmals ein schadstofffreier Transportdienst für gehbehinderte Menschen eingerichtet: Es stehen insgesamt 13 Fahrradrikschas zur Verfügung. Vier davon können auch Rollstühle transportieren.
Daneben können Gehbehinderte und deren Begleitperson am Schlossgarten insgesamt acht Tandems ausleihen, die von der Begleitperson gefahren werden. Der Einsatz von Fahrrädern ist ein Pilotprojekt und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert.
„Mit den Rikschas zu fahren macht richtig Spaß“, urteilt Ursula Marx. Die Behindertenbeauftragte der Stadt Stuttgart hofft, dass „der Geist der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben“ auch nach dem Kirchentag in Stuttgart weiterlebt. „Wir wollen zwar keine Furchen ziehen, aber doch Spuren hinterlassen“, stellt Kirchentags-Geschäftsführer Jörg Kopecz fest. Zum Kirchentag werden insgesamt rund 100 000 Besucher erwartet. 10 000 sollen privat untergebracht werden. 3600 Betten fehlen noch. Wer ein „Gräbele“ anzubieten hat, kann sich per Telefon unter der Nummer 07 11 / 6 99 49 - 2 00 oder per Internet www.kirchentag.de registrieren lassen.