Jürgen Fitschen Foto: dpa

Eigentlich sollte das Kapitel abgeschlossen sein. Doch der Fall Kirch wird auch für den amtierenden Vorstand der Deutschen Bank zur Dauerbaustelle. Co-Chef Fitschen droht eine Anklage.

Frankfurt - 600 Seiten dick soll die Anklageschrift sein, die die Münchener Staatsanwaltschaft dem Landgericht vorgelegt hat. Was im Detail drin steht ist nicht bekannt. Klar ist nur der Hauptvorwurf: Deutsche Bank-Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen sowie die Ex-Bankchefs Rolf Breuer, Josef Ackermann und die Ex-Vorstandsmitglieder Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck sollen im längst abgeschlossenen Prozess um Schadensersatz für den Medienunternehmer Leo Kirch nicht immer die Wahrheit gesagt haben.

Noch ist die Anklage über einen möglichen Prozessbetrug nicht angenommen, für Fitschen und die Deutsche Bank wäre es ein schwerer Schlag. Fitschen wie auch die anderen Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Er habe weder gelogen noch betrogen, sagt Fitschen. Ohnehin kann es Wochen oder Monate dauern, bis das Landgericht erst einmal über die Zulassung der Anklage entscheidet. Oder sie zurückweist.

„Eine Anklageschrift liegt uns bislang nicht vor“, sagte Deutsche Bank-Sprecher Klaus Winker. Grundsätzlich kommentiere die Bank keine laufenden Verfahren. Außerdem verweise man auf frühere Äußerungen, wonach man überzeugt sei, „dass sich der Verdacht gegen Jürgen Fitschen als unbegründet erweisen wird“. Die Prüfung der Erkenntnisse der Ermittler ist jetzt Aufgabe der fünften Strafkammer des Landgerichts unter Richter Peter Noll, der gerade das Verfahren gegen Formel 1-Chef Bernie Ecclestone gegen Zahlung von 100 Millionen Dollar (75 Millionen Euro) eingestellt hat.

Wie lange die Prüfung dauert, ist schwer zu sagen

„Das Gericht sollte sich Zeit nehmen, die Anklageschrift genau zu prüfen“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es stehe schließlich viel auf dem Spiel. Mit der Angelegenheit vertrauten Anwälten zufolge ist schwer zu sagen, wie lange die Prüfung dauert. Es könnten drei Monate sein, aber auch fast 16 wie beim Verfahren gegen Ex-Vorstände der bayerischen Landesbank. Dann dauert es wiederum, bis ein möglicher Prozess vor dem Landgericht beginnt. Die Hauptverhandlung wiederum könnte bei zwei bis drei Verhandlungstagen pro Woche etwa ein Jahr dauern, heißt es. Für eine mögliche Revision beim Bundesgerichtshof wäre ein weiteres Jahr zu veranschlagen, sagt ein Anwalt.

Offiziell bestätigt die Staatsanwaltschaft lediglich, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien. Angeblich sind die Vorwürfe gegen Fitschen weniger schwer als gegen die übrigen Ex-Banker. Er soll nicht verhindert haben, dass die Deutsche Bank-Anwälte im Kirch-Prozess falsch vortragen. Fitschen soll vor einigen Monaten das Angebot der Staatsanwaltschaft ausgeschlagen haben, das Verfahren gegen Zahlung von eine halben Million Euro Bußgeld zu beenden. Eine damit eingeräumte Verletzung seiner Aufsichtspflicht hätte möglicherweise die Bankenaufseher auf den Plan gerufen.

Einen Rücktritt, so ist zu hören, lehnt Fitschen generell ab, zumal er keine Schuld sieht. Breuer, Ackermann, Börsig und von Heydebreck dagegen sollen tatsächlich selbst vor Gericht die Unwahrheit gesagt und Vorgänge nicht richtig dargestellt haben.

Für das Institut ist die mögliche Anklage ein weiterer Schlag in einer nicht enden wollenden Serie von teuren Rechtsstreitigkeiten. Und diesmal geht es auch direkt gegen die Bankspitze, obwohl natürlich auch für Fitschen die Unschuldsvermutung gilt. Aber sollte es wirklich zum Verfahren wegen Prozessbetruges kommen – für den bei schweren Fällen bis zu zehn Jahren, bei minder schweren Fällen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafen drohen – sollte Fitschen nach Ansicht von DSW-Sprecher Kurz sein Amt ruhen lassen. „Zum einen wegen des Reputationsverlustes für die Bank, wie man 2004 beim Mannesmann-Prozess gegen Ackermann gesehen hat. Und aus Zeitgründen. Fitschen wäre bei zwei bis drei Verhandlungstagen pro Woche extrem eingebunden“.

Insgesamt sind die Rechtsstreitigkeiten, die diversen Zahlungen wegen Vergehen um Hypothekenpapiere und Zinsmanipulationen und an die Erben des Medien-Unternehmers Kirch nach Ansicht von Kurz für die Bank „katastrophal“. Es dränge sich in der Tat der Eindruck auf, dass es sich um eine „Rechtsabteilung mit angeschlossener Bank“ handele.