Marco und Julia Klys haben ein Mobile mit Sternen aufgehängt, die sie an ihren tot geborenen Sohn Noah erinnern. Foto: Ines Rudel

Ein Ehepaar aus Ebersbach verliert sein Baby in der 17. Schwangerschaftswoche – und erzählt auf Instagram von der schweren Zeit. Anderen Betroffenen macht nicht nur das Mut.

Ebersbach - Das Kinderzimmer im Hause Klys ist vollständig eingerichtet: Auf dem beigefarbenen Teppichboden stehen ein Schrank, ein Sessel, ein Wickeltisch. In dem weißen Babybett liegen zwei Teddybären und ein Kuscheltieresel. Darüber hängt ein Mobile mit weißen und blauen Elefanten, Sternen und einem Regenbogen. Das haben Julia Klys und ihr Mann Marco ganz bewusst ausgesucht. Weil seit 32 Wochen ein Regenbogenbaby im Bauch der 34-Jährigen wächst – und weil sie Sterneneltern sind. Sterneneltern sind Paare, denen ein Kind vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben ist. Und ein Kind, das nach einer Fehl- oder Totgeburt gezeugt wurde, ist ein Regenbogenbaby.

Die Klys haben die Hiobsbotschaft in der 13. Schwangerschaftswoche erhalten. „Ich habe eine Nackenfaltenmessung machen lassen. Sie hat gezeigt, dass die Chromosomen auffällig sind“, erzählt Julia Klys. Eine Untersuchung des Fruchtwassers habe zudem ergeben, dass der Junge sehr krank sei, einen schweren Herzfehler habe. Es folgten unzählige Arztgespräche, vier Wochen später wurde im Krankenhaus die Geburt eingeleitet. „Die Zeit davor war schlimm. Ich wäre am liebsten davongerannt“, sagt Julia Klys.

Der Weg in die Kinderwunschklinik

Dabei hatte sich das Paar so sehr Nachwuchs gewünscht. Schon kurz vor der Hochzeit vor knapp drei Jahren hat Julia Klys die Pille abgesetzt. Doch sie hatte damals schon Bedenken, dass es mit dem Schwangerwerden nicht einfach werden würde. Ein halbes Jahr später ließ sie sich von einer Frauenärztin durchchecken. Die diagnostizierte unter anderem das sogenannte PCO-Syndrom, eine hormonelle Zyklusstörung, die es betroffenen Frauen schwer macht, schwanger zu werden. Die Ärztin überwies sie in eine Kinderwunschklinik, die Klys zwei Monate später aufsuchte.

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Was folgte, war ein „Standardprogramm“, wie es Marco Klys (38) nennt: keine weiteren Untersuchungen, keine Kontrolle der Blutwerte. Stattdessen musste seine Frau Tabletten schlucken: die einen, um die Periode, die anderen, um den Eisprung auszulösen. Die Konsequenzen: Hautausschlag, Haarausfall, depressive Stimmung. Schwanger wurde Julia Klys nicht. Dann stellten die Ärzte auf Spritzen um – ohne Erfolg. Noch dazu sei das alles „total unromantisch“ gewesen, sagt Julia Klys. „Man hat nach der Spritze, die den Eisprung auslöst, nur ein kurzes Zeitfenster.“

Die Verabschiedung war wichtig

Irgendwann wechselte das Paar die Klinik – auch wegen der stundenlangen Fahrtzeit, die die Frau mehrmals pro Woche auf sich nahm. Die Ärzte fragten genauer nach, wollten mehr über ihr Essverhalten wissen, stellten das Hormon um. „Und schon beim ersten Zyklus hat es geklappt“, erinnert sich Julia Klys.

Die Geburt ihres toten Kindes wird das Paar nie vergessen: Im Krankenhaus hält Julia Klys ihren Jungen namens Noah im Arm. Der Kleine ist in ein Tuch gewickelt, sie betrachtet seine Finger und seine Füße. Seine Augen sind geschlossen, als würde er schlafen. Er ist nur 19,5 Zentimeter groß und nur 155 Gramm schwer. „Das war zwar schlimm, aber im Nachhinein weiß ich, dass es wichtig für uns war, uns in Ruhe zu verabschieden“, sagt die Mutter heute. Wirklich schmerzhaft wurde es, als die beiden das Krankenhaus ohne Noah verlassen mussten. Zuhause war Julia Klys mit allem überfordert. Unter Leute wollte sie nicht. Was ihr in dieser Zeit half: Ihr Mann, aber auch Meditation, Yoga – und Instagram.

Vielen geht es so – auch im persönlichen Umfeld

Schon während ihrer Behandlung in der Kinderwunschklinik hatte sie angefangen, ihre Gefühle auf ihrem Profil „julie_s_blog“ preiszugeben – erst anonym, nach dem Verlust ihres Babys dann auch mit Gesicht. „Der Austausch mit anderen Frauen hat mir geholfen“, sagt die Bloggerin. Viele Frauen kommentieren ihre Beiträge, wünschen ihr Kraft oder erzählen von ähnlichen Erfahrungen. „Wenn man anfängt, darüber zu sprechen, sieht man, dass es vielen so geht“, sagt Marco Klys. „Auch im persönlichen Umfeld.“

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Der 18. September des vergangenen Jahres: Klys veröffentlicht ein Bild auf ihrem Profil. „Wunschkind“ steht darauf, ein Ultraschallbild und ein positiver Schwangerschaftstest sind ebenfalls zu sehen. In acht Wochen wird der Junge zur Welt kommen. Nach Noahs Tod wollte sich das Paar zwar Zeit lassen, doch dass sie noch ein Kind wollten, stand immer fest. Wie das geklappt hat? – „Ganz ohne Kinderwunschklinik, weil die erste Schwangerschaft meinen Zyklus in Schwung gebracht hat“, sagt die werdende Mutter. Klys trug zu dieser Zeit einen Ovularing, der wie ein Tampon eingeführt wird und den Zyklus verfolgt. Und der hat tatsächlich fruchtbare Tage angezeigt.

Obwohl die Schwangerschaft problemlos verläuft, hat Julia Klys Angst vor jedem Arztbesuch. Ihr Mann ist sehr stolz auf sie: „Für das, was sie durchgemacht hat, macht sie das ganz großartig.“