Die städtische Kinderbeauftragte Maria Haller-Kindler Foto: Leif Piechowski

Maria Haller-Kindler, die Kinderbeauftragte der Stadt, hat neue Ideen beim Thema fehlende Spielflächen. Sie will mehr ehemalige Schrebergärten in Naturparadiese für Kinder verwandeln.

Maria Haller-Kindler, die Kinderbeauftragte der Stadt, hat neue Ideen beim Thema fehlende Spielflächen. Sie will mehr ehemalige Schrebergärten in Naturparadiese für Kinder verwandeln.

Stuttgart - Frau Haller-Kindler, Ihre Vorgängerin Roswitha Wenzl hat das Amt der Kinderbeauftragten praktisch erfunden. Ist das eine Bürde für Sie?
Überhaupt nicht. Es ist schön, eine Aufgabe anzutreten, die schon etabliert ist. Ich kann auf vieles aufbauen.
Sie sind nun mehrere Monate im Amt. Bisher wirkten Sie jedoch kaum nach außen. Warum?
Die Stadt und ihre Verwaltung sind groß. Ich muss erst einmal alles kennen lernen und Netzwerke aufbauen. Mein erstes Jahr dient vor allem dazu, eine neue Konzeption für ein kinderfreundliches Stuttgart zu erstellen.
Und dann starten Sie durch?
Genau.
Mit welchen Themen?
Das wird sich zeigen. Denn neben meinen Analysen sollen vor allem die Kinder zu Wort kommen. Ich will die Konzeption nicht am Schreibtisch erfinden, sondern mit den Kindern und weiteren Experten zusammen.
Wollen Sie alle Kinder in Stuttgart befragen?
Das können wir natürlich nicht. Wir werden im Herbst unter der Moderation der Bürgerstiftung in einer Zukunftswerkstatt eine repräsentative Gruppe zu bestimmten Themenfeldern und drei verschiedenen Altersgruppen befragen. Da sollen diese Kinder genau sagen, was ihnen wo fehlt. Zum Beispiel: Wie erlebt ihr die Spielplatzsituation in Stuttgart? Welche Spielplätze sind toll? Welche besucht ihr, welche nicht?
Und wer hilft Ihnen dann bei der Umsetzung?
Das kommt auf das Anliegen an. Ich bin mit allen Ämtern der Verwaltung in Kontakt. Zum Beispiel hat das Jugendamt hat im Bereich Kinderbeteiligung großes Wissen und Kompetenz. Aber das ist nicht alles.
Sie machen einen neugierig.
Immer dann, wenn beispielsweise ein Spielplatz geplant und gebaut wird, muss es sicher sein, dass Kinder mitreden können. Denn Kinder sind die größten Experten in eigener Sache. Es ist unsere Aufgabe, ihre Vorschläge aufzunehmen und zu prüfen.
Was qualifiziert Sie eigentlich zur Kinderbeauftragten?
Ich glaube, die wichtigste Voraussetzung ist: Ich kann gut zuhören. Zweitens bin ich eine gute Netzwerkerin. Als Solistin kann ich nämlich gar nichts erreichen. Ich brauche die Unterstützung aller Akteure. Und ich kann hartnäckig sein, wenn mir ein Anliegen wichtig ist.
Haben Sie schon einen Überblick, wo Kinder in der Stadt Ihre Hilfe brauchen?
Es zeigt sich, dass Kinder nicht überall Orte finden, an denen sie sich aufhalten können.
Haben Sie eine Idee für dieses Problem?
Ein supergutes Projekt ist der Naturerfahrungsraum in der Klüpfelstraße. Im dicht besiedelten Westen hat man dort aus ehemaligen Schrebergärten ein wildes Naturparadies für Kinder gefunden. Diese Idee der Stadtgärten will ich weiter verfolgen, dieser Ansatz ist längst noch nicht ausgereizt. Auch bei der Zwischennutzung von brach liegenden Geländen sehe ich Potenzial.
Früher musste man über Zäune klettern, um irgendwo kicken zu können. Kennen Sie das Problem?
Klar. Wenn Kinder etwas wünschen, dann sind immer Bolzplätze dabei. Das brauchen wir unbedingt. Es gibt mehr Bedarf, als Plätze. Also suchen sich Kinder ihre Nischen selbst.
Manchmal zum Ärger der Anwohner.
Richtig, erst gestern war eine Dame da, die sich beschwerte, dass Kinder in ihrem Hof auf dem Wäscheplatz kicken.
Hier ist es eine Frau mit Angst um ihre Wäsche. In anderen Fällen sind es pflichtbewusste Hausmeister, die Kinder von Bolzplätzen verjagen. Dürfen diese Kinder zu Ihnen kommen, um sich Unterstützung zu holen?
Selbstverständlich. Ich sehe mich als Anwältin der Kinder. Ich werde versuchen, um Verständnis zu werben und eine Lösung zu finden.
Sie wollen, dass Kinderfreundlichkeit ganz selbstverständlich wird. Das klingt nach einer Floskel. Was bedeutet es konkret?
Dass es in der Verwaltung ganz verinnerlicht wird, bei allen Prozessen die Frage zu stellen: Was haben unsere Maßnahmen für Auswirkungen auf Kinder? Schön wäre es auch, das Thema Kinderfreundlichkeit in das Bewusstsein der ganzen Stadtgesellschaft zu verankern.
Hört sich gut an. Aber was sagen Sie jener Frau, die Sorge um ihre Wäsche hat?
Ich nehme sie ernst und versuche, die verschiedenen Interessen zu moderieren. Aber Kinder sind eben auch laut, trotzig und nicht immer angenehm. Das gehört zu ihrer Entwicklung dazu. Daher wünsche ich mir von der Stadtgesellschaft mindestens Toleranz. Richtig toll wäre aber Empathie. Und die höchste Stufe wäre Unterstützung. Aber ich weiß sehr gut: Nichts davon kann man verordnen. Dennoch werbe ich dafür.
Wie groß ist bei diesem Werbefeldzug die Unterstützung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Hat er auch ein Herz für Stuttgarts Kinder?
Absolut. Deshalb hat er diese Stelle ja auch wieder besetzt und direkt bei sich als Stabsstelle angesiedelt. Das ist ein klares Bekenntnis. Mit dem klaren Auftrag an mich, alle Projekte auch nachhaltig zu verankern.
Und was ist Ihnen am wichtigsten?
Ich will Kinder stark machen und sie auf diesem Weg unterstützen. Das ist meine Kernbotschaft. Sie sollen ihre Ideen entwickeln und formulieren. Zudem will ich meinen Blick stark auf die benachteiligten Kinder in Stuttgart richten.
Wie ist die Situation für Kinder vor Ihrer eigenen Haustür?
Nun, ich wohne in Fellbach. Aber ich teste mit meiner vierjährigen Tochter auch oft die Spielplätze in Stuttgart.
Und was sagt die kleine Spielplatztesterin?
Dass die Kletterpyramide auf dem Spielplatz beim Löwentormuseum ganz toll ist. Und dass sie später mal auch Kinderbeauftragte werden will.