Fußballspielen bei über 40 Grad in der Sonne? Zu heiß! Torschusstraining ist die Alternative Foto: Baumann

Bei der Abschlussveranstaltung des Projekts kicken & lesen schulen junge Sportler nicht nur ihre Künste am Ball. Die VfB-Trainer mussten indes den Trainingsumfang stark zurückfahren.

Stuttgart - Der Coach weiß, warum der VfB Stuttgart in der vergangenen Saison so lange gegen den Abstieg spielen musste. „Die Spieler hatten keine Disziplin. Wir müssen besser trainieren“, sagt Alexander Zorniger. Und auf die Frage der Journalistin, ob denn sein Vorgänger schlecht trainiert habe, antwortet er ohne zu überlegen: „Ja.“

Hätte der echte Alexander Zorniger solch ein Interview gegeben, müsste er sich nun ernsthaft Sorgen um seinen Ruf machen. Da es aber nur Maurice (12) aus Kirchheim/Teck war, der für ein paar Minuten in die Rolle des neuen VfB-Trainers geschlüpft war, gab es statt Ärger nur viele Lacher.

Maurice ist einer von 70 Jungs aus Baden-Württemberg, die zum Abschluss-Camp des Projekts kicken & lesen auf das VfB-Clubgelände gekommen sind. Dort wurde zwei Tage lang unter der Anleitung von sechs Trainern der VfB-Fußballschule auf dem Rasen geackert, ergänzt von mehreren Leseeinheiten in der angenehm klimatisierten VfB-Geschäftsstelle in Kooperation mit den Stuttgarter Nachrichten.

Kicken, lesen – und schwitzen. „Wir mussten das Training in diesem Jahr total herunterfahren“, sagt Campleiter Jens Andrei. Der neue Teamchef der VfB-Fußballschule und seine Kollegen achteten ganz besonders darauf, dass die tropische Hitze den Jungs im Alter zwischen acht und 17 Jahren nicht zu sehr zusetzen konnte. Gelaufen und gespielt wurde deshalb nicht, stattdessen standen Elfmeterschießen, Torschusstraining und Jonglieren auf dem Programm. Ein Höhepunkt war der Speed-Radar, bei dem die Teilnehmer die Geschwindigkeit ihrer Schüsse messen konnten. „Wir durften da trainieren, wo sonst die Profis trainieren“, sagt Simon Möss (11) aus Althütte (Rems-Murr-Kreis) mit leuchtenden Augen.

Dass dabei ganz nebenbei auch noch ihre Lesekompetenz geschult wurde, war vielen Teilnehmern gar nicht bewusst. Statt in Schulbüchern wurde zum Beispiel die Autogrammkarte von Filip Kostic gelesen, Zeitungsschlagzeilen aus der vergangenen Saison oder der Text des VfB-Songs „Troy“ von den Fantastischen Vier. „Das ist Literatur, die motiviert, die Jungs merken gar nicht, dass sie lesen“, sagt Christine Potnar, die Pressesprecherin der Baden-Württemberg-Stiftung. Die hat das Projekt 2007 ins Leben gerufen und fördert seither jährlich zehn kicken&lesen-Projekte an zehn Standorten im Land mit jeweils bis zu 4000 Euro. Die Träger der Projekte sind so unterschiedlich wie deren Inhalte. In Kirchheim/Teck rief die Bruderhausdiakonie zu „Integration mit Buch und Ball“ auf, in Nordheim erarbeiteten Jugendliche mit Hilfe der Ortsbücherei unter dem Motto „Wir!Hier!“ einen interaktiven, mehrsprachigen Ortsführer.

Auch das Abschluss-Camp wird komplett von der BW-Stiftung finanziert. „Es soll eine Belohnung für die Schüler sein, die sich über mehrere Monate in ihren Projekten engagiert haben“, erklärt Christine Potnar. Und nicht nur Maurice und Simon hatten ihren Spaß. Beim Kicken, aber auch beim Lesen.