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Die Psychotherapeutin Regina Lessenthin setzt bei der tiergestützten Therapie Katzen ein.

Stuttgart - Von Reittherapien und dem Schwimmen mit Delfinen hat jeder schon mal gehört. Pferde, Delfine und auch Hunde werden seit Jahren eingesetzt, wenn es gilt, behinderten oder psychisch angeschlagenen Menschen zu helfen. Dass auch Katzen in Krisensituationen nützlich sein können, ist dagegen wenig bekannt. In Baden-Württemberg gibt es eine Praxis, in der systematisch mit Katzen und ihren positiven Auswirkungen auf den Menschen gearbeitet wird.

 

Regina Lessenthin beschäftigt seit mehr als 15 Jahren 13 schnurrende Mitarbeiter als Co-Therapeuten. In ihrer ambulanten Praxis in Benningen am Neckar versucht die Diplom-Psychologin - als eine der wenigen Therapeuten in Deutschland -, psychische und psychosomatische Erkrankungen mit Katzen anzugehen. Zu ihr kommen Menschen mit Depressionen, Angsterkrankungen, Persönlichkeits- und Essstörungen, aber auch mit Migräne und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Zu ihren Patienten zählen sowohl Dreijährige als auch Rentner. Viele Menschen können sich vor Beginn der Therapie nicht vorstellen, wie Katzen bei ihrer Genesung helfen sollen. "Die bloße Anwesenheit der Tiere wirkt auf den Patienten bereits beruhigend, das ist wissenschaftlich erwiesen", sagt Lessenthin.

Das Schnurren der Vierbeiner beruhigt

Die Patienten beschreiben einen ähnlichen Effekt. Vor allem das Schnurren der Vierbeiner beruhigt, was den Blutdruck senken und heilend wirken kann. Durch das Geräusch wird beim Menschen wie auch bei der Katze selbst Serotonin im Gehirn ausgeschüttet. Das Hormon steuert den Gemütszustand und den Schlafrhythmus. So können Menschen, die einer schnurrenden Katze lauschen, schneller einschlafen. Generell fühlen sie sich wohler. Die Redewendung "Der lieblichste Ton auf der Welt ist das Schnurren einer Katze" ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Auch in Lessenthins Praxis wirken die Tiere als natürliches Antistressmittel - "fast genauso effektiv wie autogenes Training", sagt die Psychologin. Die Patienten fühlten sich durch die Katzen stressfreier und reagierten offener. Und sie redeten schneller und eingehender über ihre Probleme. "Zusätzlich wirken die Katzen als Modell. Denn viele Patienten projizieren ihr eigenes Verhalten auf das der Katzen." Das mache es einfacher, die Probleme aufzuarbeiten und ein psychologisches Profil zu erstellen.

So können schlafende Katzen etwa Migräne-geplagten Kindern helfen, indem sie ihnen Entspannung versinnbildlichen. Der blinde, zurückhaltende Kater Isy wiederum bricht bei traumatisierten Patienten das Eis. "Misshandelte haben oft Probleme mit körperlicher Nähe, ähnlich wie Isy."

Freundschaften zwischen Patient und Katze

Nur durch einfühlsames Vorgehen fasse der Kater Vertrauen zum Patienten. "Genauso ergeht es dem Traumatisierten mit anderen Menschen", erklärt Lessenthin ihre Behandlungsmethode. Bei längeren Behandlungen entwickeln sich sogar Freundschaften zwischen Patient und Katze.

Während der Behandlungsstunde streunen die 13 Katzen frei durchs Haus und den Garten. Es ist ihnen überlassen, ob sie den Patienten aufsuchen oder nicht. Eine spezielle Ausbildung bekommen sie nicht. Der Charakter der Tiere soll erhalten bleiben, da sie nur so auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Praxisbesucher eingehen können. "Katzen gelten ohnehin als eigenwillig, unabhängig und nicht dressierbar", erklärt Regina Lessenthin. Und diese Eigenschaften kommen bei den Patienten gut an.

Behandlungszeiten werden verkürzt

Konventionellere tiergestützte Therapien arbeiten oft mit Hunden oder Pferden, die man abrichten und denen man ein spezielles Verhalten antrainieren kann. Das vermittle den Menschen aber oft den Eindruck, dass die Tiere nur das tun, was man ihnen beigebracht hat, dass das Tier also gar nicht auf sie reagiert. "Bei Katzen ist das völlig anders. Kommen sie zum Patienten, dann tun sie das, weil sie es wollen", sagt die Psychologin.

Der Erfolg ihrer Behandlungsmethode scheint Lessenthin recht zu geben. Fast alle Patienten seien davon überzeugt, dass die Katzen ihre Therapie-Motivation und Therapie-Erfolge deutlich erhöhten. In der Regel werden damit auch die Behandlungszeiten verkürzt.