Auf tristen Garagenreihen lässt sich wie hier in Karlsruhe Wohnraum schaffen. Foto: dpa/Anspach

Die Betonboxen versiegeln wertvolle Grundfläche, die vor allem in Städten rar und teuer ist. Eine Aufstockung in Holzbauweise kann zusätzliche Wohnfläche schaffen.

Ein Stockwerk oben drauf satteln: Hier wohnen wir, auf den Garagen! In Karlsruhes Oststadt entstehen derzeit ungewöhnliche Holzhäuser. Sie tragen bei zur Wohnraumbeschaffung. Ein Karlsruher Architekt machte das Rennen bei einem Ideenwettbewerb – und gewann das Interesse der stadteigenen „Volkswohnung“.

Nachverdichtung bedeutet, freie Flächen in der bestehender Bebauung zu nutzen, also Lücken und Restgrundstücke zu füllen oder Dachaufstockungen und -ausbauten vorzunehmen. Aber Wohnen auf Garagen? Diese Idee entwickelte der Karlsruher Architekt Falk Schneemann, der ein Faible hat für innovatives Bauen. In der Karlsruher Oststadt entstehen unter seiner Regie höchst ungewöhnliche Holzhäuser. Zwölf Wohneinheiten sollen es am Ende werden.

Die übliche Silikonverklebung ist verboten

Ist Nachverdichtung auch immer nachhaltig? Da ist manchmal ein Fragezeichen erlaubt. Die Wohnungen, die derzeit an der Heilbronner Straße im Karlsruher Osten entstehen, sind es. Falk Schneemann kann das mit Fakten untermauern. Er machte 2017 das Rennen bei einem Ideenwettbewerb, ausgelobt vom Architekturschaufenster, einem Verein, der sich um qualitätsvolles Bauen kümmert – und gewann das Interesse der stadteigenen Baugesellschaft „Volkswohnung“. 700 000 Euro gibt es zudem aus den Fördertöpfen „Innovativ Wohnen Baden-Württemberg – beispielgebende Projekte“ des Landes. Eine der Voraussetzungen: Das Bauvorhaben muss „kreislaufgerecht“ sein; man kann es leicht wieder demontieren – und alle Materialien wieder verwenden. Die Holzböden etwa stammen aus Bestandsbauten der Volkswohnung und sind aufgearbeitet. Auch dürfen keine Verklebungen erfolgen zwischen den fertig angelieferten Wand- und Fensterelementen. „Das wird am Ende ein Wohngefühl ergeben wie in einem ganz normalen Holzhaus“, sagt Falkmann.

Holz ist ökologisch und leicht

„Hier entsteht der schönste Garagenhof bundesweit“, ließ Daniel Fluhrer (parteilos), der Baudezernent der Stadt und Aufsichtsratsvorsitzender der „Volkswohnung“ beim Richtfest im Oktober 2022 wissen. In Holzbauweise haben die Aufstockungen ein vergleichsweise leichtes Auflagegewicht. Holz sei ökologisch „und auch politisch gewollt“, weiß Falk Schneemann. Vorgefertigte Teile ermöglichen eine kurze Bauzeit. Die Außenhaut der Bauten wird aus Titanzinkblech gefertigt – aus Brandschutzgründen.

Die Garagen versiegeln bereits Fläche, sagt Katharina Helleckes, die das Projekt für die Volkswohnung begleitet. Dieses bislang ungenutzte Potenzial habe man nutzen wollen. Verfolgt von dem Gedanken des „urban mining“, was heiße, eine besiedelte Stadt als Rohstofflagerstätte zu begreifen. Man habe auch versucht, Abbruchmaterialien aus eigenen Gebäuden „eine zweite Lebenschance zu geben“, sagt Helleckes. Innovativ sei auch die Versetzbarkeit der 50 bis 70 Quadratmeter großen Einheiten. Mit der Aufstockung in Holzbauweise entstehen jetzt bis Juli zwölf neue Ein- bis Dreizimmermietwohnungen, die wohl besonders Studierende und Alleinerziehende anlocken dürften.

Auf 120 Meter Garage passen 10 Wohnungen

Falk Schneemann dachte 2017 noch nicht, als er den Ideenwettbewerb gewann, dass „Wohnen auf Garagen“ in Karlsruhe tatsächlich Realität werden könnte. Bei der Studie hatte er auf einen 120 Meter langen Garagenriegel zehn Wohneinheiten gesetzt. Der Experte für innovatives Bauen startete seine berufliche Karriere mit einer Ausbildung als Zimmermann. Daher dürfte wohl auch sein Faible für die Holzbauweise rühren. Bei dem Ideenwettbewerb errechnete er, dass auf einem Quadratkilometer Garagen Potenzial für 85 Wohneinheiten liegt.