Am Samstag, 5. Oktober 1912, ist die die Eröffnung des Kaiserbaus groß mit Film und Kapelle gefeiert worden. Fertig war das Gebäude da noch nicht. Foto: HGEsch, Hennef

Die Geschichtswerkstatt Süd hat die Historie des Kaiserbaus am Marienplatz erforscht und dabei einige illustre Details zutage geführt.

S-Süd - Hippness ist keine Erfindung unserer Tage. Nicht einmal die Orte urbaner Eleganz sind neu. Es war schon vor mehr als 100 Jahren schick, im Café Kaiserbau am Marienplatz Einkehr zu halten. Dort nämlich huschten nicht wie üblich die Kellnerinnen mit weißen Schürzchen zwischen den Tischen herum. Hier bediente sich König Kunde selber! Das Automatencafé im Kaiserbau war einer dieser letzten Schreie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Nordamerika her über den Atlantik hallten. Es galt als zeitsparend, hygienisch und günstig, weil Trinkgeld entfiel. Das Lokal glich einer Bahnhofshalle mit Jugendstildekor. Aus den Vitrinen längs der Wände entnahm man sich selber Kuchen und Semmeln. Der Gast zapfte sich selbst sein Getränk. Das Automatencafé Marienplatz war nicht das einzige in der Stadt, berichtet Wolfgang Jaworek. Auch am Charlottenplatz und an der Schlossstraße habe es welche gegeben – ebenfalls belebte Verkehrsknotenpunkte.

Wolfgang Jaworek von der Geschichtswerkstatt im Süden, der selbst gern seinen Kaffee im Kaiserbau genießt, hat die bewegte Geschichte des stattlichen Gebäudes am Marienplatz studiert, Archive durchstreift, Zeitzeugen befragt, und ist dabei nicht nur auf dieses funktionale Kaffeehaus gestoßen. Die Eröffnung wurde am Samstag, 5. Oktober 1912, groß mit einer „Künstlerkapelle“ und einer Filmvorführung im „schönsten Lichtspielsaal der Residenz“ gefeiert, wie ein altes Plakat verkündet. Gezeigt wurde der aktuelle Blockbuster „Im goldenen Käfig“ – stumm natürlich, mit Live-Begleitung und der Cancan-Tänzerin Madame Saharet in der Hauptrolle.

Das 50 Meter breite Gebäude von der Form einer dreiflügeligen französischen Schlossanlage beherbergte desweiteren eine Bäckerei, eine Sparkasse, ein Süßwarengeschäft und weitere Ladenlokale sowie eine holzgetäfelte Weinstube mit Billardtisch und Séparées im ersten Stock, Büros und Wohnungen. Im Hinterhaus rumorte bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kolbenfabrik, erinnert sich Ruth Bertsch, eine Enkelin der Erbauer. Entworfen worden war der Kaiserbau 1911 von den Architekten Woltz & Bihl im neoklassizistischen Stil. Der Name „Kaiserbau“ durfte als Huldigung an Wilhelm II. verstanden werden. „Mein Großvater, Eugen Henninger hatte ein Malergeschäft und damit wohl gut verdient, nach den damaligen neuesten baulichen Erkenntnissen wollte er ein großes Wohnhaus erbauen lassen“, so Ruth Bertsch. Jaworek weiß zu berichten, dass der Bau zur Eröffnung noch nicht fertig war, der rechte Gebäudeflügel habe gefehlt. Den Investoren – Eugen Henningers Bruder Otto war gleichsam als Bauherr am Projekt beteiligt – sei offenbar das Geld ausgegangen. „Das waren Tausendsassas, die mit dem Geld jongliert haben.“

Die große Sause

Huldigung an Willhelm II.

Ursprünglich hätten die beiden Inhaber einer florierenden Malerwerkstatt noch die Front des Kaiserbaus bemalen wollen. Doch auch dafür habe am Ende das Geld gefehlt – dabei wäre die farbige Fassade eine schöne Reklame gewesen für ihren Betrieb. Auch politisch seien die Brüder umtriebig gewesen – insbesondere am rechten Rand. So hätten sie 1914 Regie geführt in dem vaterländischen Stück „Der Weltenbrand“, das am Vorabend des Ersten Weltkriegs mental mobil machen wollte. Nach dem echten Weltenbrand blieben die Henningers ihrer Gesinnung treu und beherbergten gleich von 1933 an in ihrem Haus das Parteibüro der NSDAP, so Jaworek.

Wieder im alten Glanz

Den Zweiten Weltkrieg hat das Gebäude mit reparablen Schäden überstanden. An der Seite zur Tübinger Straße hin wurden Dach und Obergeschoss von Bomben getroffen und 1946 wieder aufgebaut, hat Jaworek recherchiert. Dennoch ist die Substanz des fünfgeschossigen Gebäudes bis heute gut erhalten. „Der Kaiserbau hatte einen bombensicheren Luftschutzkeller. Viele Tag- und Nachstunden verbrachten wir dort“, erinnert sich Bertsch.

Nach dem Krieg ging die Immobilie auf eine Erbengemeinschaft über, die sie später der Landesgirokasse verkaufte. Das Haus verlotterte, bis es 2012 an die Firma Copro veräußert wurde, die Gebäude in Berlin und Stuttgart entwickelt, verkauft, vermietet und verwaltet. Die Copro-Leute wollten den neoklassizistischen Bau zu altem Glanz verhelfen und in „einem Treffpunkt mit Cafés, Boutiquen und Bars“ verwandeln, der „Anziehungspunkt für Jung und Alt unabhängig von der Tageszeit“ ist.