Am Donnerstagabend haben in der Innenstadt bis zu 1000 Menschen gegen Stuttgart 21 protestiert. Weil es Zweifel an der angeblichen Spontaneität der Demonstration gibt, droht jetzt ein juristisches Nachspiel.

Stuttgart - Am Donnerstagabend haben in der Innenstadt bis zu 1000 Menschen gegen Stuttgart 21 protestiert. Weil es Zweifel an der angeblichen Spontaneität der Demonstration gibt, droht jetzt ein juristisches Nachspiel. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die demonstrierenden Stadträten Gangolf Stocker und Hannes Rockenbauch (SÖS).

Wenige Stunden, nachdem im Neuen Schloss am Donnerstagmittag der Baubeschluss für das Bahnprojekt bekräftigt worden war, hatten sich gegen 18 Uhr bis zu 1000 Stuttgart-21-Gegner vor dem Hauptbahnhof versammelt. Dabei blockierten sie eine halbe Stunde die Schillerstraße, was Staus bis zum Pragsattel zur Folge hatte. Einige Hundert Demonstranten zogen weiter zum Schlossplatz und zum Rathaus. Gegen 21 Uhr löste sich der Protest auf.

"Die Demonstration war friedlich", sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. "Allerdings hätte bei der Blockade der stark befahrenen Schillerstraße jemand zu Schaden kommen können." Nach offiziellen Angaben war die Polizei mit 100 Beamten im Einsatz. Augenzeugen sprechen von einer deutlich höheren Zahl.

Nicht nur der gut geplante Polizeieinsatz nährt bei Beobachtern den Verdacht, ob die Demo das Attribut "spontan" verdient hat - oder ob sie von langer Hand geplant war und somit einer behördlichen Genehmigung bedurft hätte. Offiziell angemeldet war der Protestzug nicht. "Wir prüfen jetzt den Vorgang und bewerten Erkenntnisse", sagt Hermann Karpf, Referent des Ordnungsbürgermeisters. Das Ergebnis sei offen.

Karpf nennt keine Namen. Doch es ist nachvollziehbar, dass ein Hauptaugenmerk der Prüfung den Stadträten Stocker und Rockenbauch vom Parteifreien Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) gelten wird. Auf einer Internetseite Stockers war kurz vor der Demo zu lesen: "Gerüchte verdichten sich, dass am Donnerstag, den 10.Dezember, um 18 Uhr Alarm geschlagen wird - wo wohl anders als am Bonatzbau." Auf der SÖS-Internetseite stand noch am Freitag ein Foto eines Plakats. Darauf steht: "Stell dir vor, es ist Donnerstag 18Uhr und alle gehen zum Bahnhof."

"Das ist nicht mehr spontan, das sind klare Aufrufe zur Demo", lautet die vorläufige Analyse städtischer Experten. Das sei vermutlich "nicht legal", weil sich die Verfasser der Demoaufrufe nicht einmal bei der Polizeieinsatzleitung als Versammlungsleiter gemeldet hätten. "Das ist uns völlig unverständlich", sagt ein Beamter. "Eine reguläre Demo wäre doch genehmigt worden."

"Herr Stocker und ich haben nicht zur Demo am Donnerstag aufgerufen oder eingeladen, und wir haben sie auch nicht organisiert", sagt Stadtrat Rockenbauch am Freitag gegenüber dieser Zeitung: "Wir haben damit nichts zu tun." Er habe lediglich ein Foto auf die SÖS-Homepage gestellt, argumentiert Rockenbauch. Mit den drei SÖS-Stadträten im Gemeinderat habe die Homepage nichts zu tun. Das Impressum nennt freilich just diese Stadträte.

Rockenbauch mag die "Aufregung" um die Demo am Donnerstag nicht verstehen: "Viel wichtiger ist uns, die Dauerhaftigkeit des Widerstands gegen Stuttgart 21 zu wahren." In diesem Sinn seien die regelmäßigen Demos am Montagabend natürlich alle behördlich angemeldet - und genehmigt.