Franziska Schmitz und Alexander Redwitz vom Jungen Ensemble Stuttgart, Foto: Metz

„Du und ich“ ist ein seltsam verrücktes und gefühlvolles Stück über das Erwachsenwerden. Am Samstag feierte es Premiere im Jungen Ensemble Stuttgart (JES). Es basiert auf dem gleichnamigen Kurzroman des italienischen Erfolgsautors Niccolò Ammaniti, der 2010 in Italien erschien und 2012 ins Deutsche übertragen wurde.

Stuttgart - Zwei Außenseiter treffen sich zwischen Kellerregalen. Lorenzo hat sich dort verkrochen, seine Mutter soll nicht erfahren, dass er von seinen fabelhaften Klassenkameraden eben doch nicht zum Skiurlaub eingeladen wurde. Eine Woche lang will er im Keller leben, um sie zu täuschen.

Dort sucht allerdings auch seine Halbschwester Olivia Zuflucht. Lorenzo kennt sie wenig. Er ist noch ein Kind, begreift nichts von ihrer Drogensucht und von ihrer eigenen Flucht. Und doch entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Lorenzo und Olivia.

„Du und ich“ ist ein seltsam verrücktes und gefühlvolles Stück über das Erwachsenwerden. Am Samstag feierte es Premiere im Jungen Ensemble Stuttgart (JES). Es basiert auf dem gleichnamigen Kurzroman des italienischen Erfolgsautors Niccolò Ammaniti, der 2010 in Italien erschien und 2012 ins Deutsche übertragen wurde.

Olivias Drogensucht ist im Stück nur präsent durch ihre Symptome, wird niemals benannt. Alexander Wangs Inszenierung der deutschen Erstaufführung (Fassung von Lukas Rohde und dem Ensemble) nimmt ganz Lorenzos unwissende und deshalb vorurteilsfreie Perspektive ein.

Lorenzo selbst sondert sich ab und passt sich zugleich an. Im Keller, noch bevor er dort Olivia begegnet, lebt er seine Träume aus: ein pubertärer Superheld, der mit goldenem Umhang zwischen Tisch und Regalen umherschwirrt, der eine Fliege sein möchte, die sich als Wespe tarnt. Der Schauspieler Alexander Redwitz spielt Lorenzo als hyperaktiven Jungen, der sich der Wirklichkeit zunächst ganz verschließt: kindlich, aggressiv, scheu und unsicher.

So zerrissen wie Lorenzo ist Olivia: Auch Franziska Schmitz, Schauspielerin aus Köln und seit dieser Spielzeit festes Mitglied des Stuttgarter Ensembles, gibt ihrer Figur zahlreiche Facetten – sie wirkt weich, überrascht, als sie Lorenzo zuerst im Keller entdeckt, später dann mal überlegen, mal verständnisvoll, sie behält ihre erschreckenden Geheimnisse fast gänzlich für sich, aber sie zittert, erbricht sich, wird hysterisch, weint, spielt den Drogenentzug mit erschütternder Intensität.

Regisseur Wang bricht die geschlossene Welt des Kellers immer wieder auf, lässt Lorenzo aus dem Spiel heraus und als Erzähler auftreten. Zu Beginn des Stücks sind die Regale und Tische, die den Keller füllen (das Künstlerduo Stef Heidhues und Emanuel Geisser hat das obere JES-Foyer zu einem Kellerraum umgebaut), verhüllt von weißen Tüchern – Lorenzo wird sie erst nach und nach entfernen, zuvor werden sie zur Leinwand für die Video- und Bildcollagen, die Kleon Medugorac für das Stück schuf: Das Bild der Welt wird verzerrt von den Falten, die der weiße Stoff wirft.

Als die Woche im Keller endet, haben Lorenzo und Olivia sich verändert. Sie hat ihre Jeans gegen ein rotes Abendkleid eingetauscht, er hat sich ein Jackett über sein T-Shirt gezogen. Ihr letztes Wiedersehen wird ein trauriges sein. Johnny Cashs apokalyptisches Raunen und Songs der New Wave laden diese Geschichte zweier Menschen, die sich finden und wieder verlieren, mit Pathos auf: eine echte Außenseiterballade – ohne Happy End, aber gerade deshalb umso berührender.

Weitere Termine für Jugendliche und Erwachsene: 1. 12., 19 Uhr, 2. 12., 11 Uhr. Karten gibt es unter 07 11 / 21 84 80 18 oder per E-Mail unter ticket@jes-stuttgart.de. Mehr dazu gibt es unter diesem Link.