Die Männer sollen mit den Frauen flirten, hat die Chorleiterin gefordert, als das Ensemble ein ukrainisches Lied probt. Foto: Sabine Schwieder

Die Chormitglieder des Rohrer-Lied-Ensembles bereiten unter der Leitung von Viktoriia Vitrenko ihr Sommerkonzert vor. In den Pfingstferien sind sie auf einer Konzertreise in der Ukraine unterwegs gewesen.

Rohr - Mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren ist das Rohrer-Lied-Ensemble kein junger Chor im eigentlichen Sinn. Doch die 40 Sängerinnen und Sänger empfinden sich durchaus als jung, und das hat sehr viel mit ihrer Bereitschaft zu tun, sich auf neues Terrain zu wagen. Im Probenraum der katholischen Kirchengemeinde Heilige Familie in Rohr wird eher unbekanntes Liedgut gesungen, gerne auch mal in ungewohnten Sprachen. Vor Kurzem hat das Ensemble das Programm für eine Konzertreise in die Ukraine während der Pfingstferien sowie das traditionelle Sommerkonzert im Juli vorbereitet. In Chorleiterin Viktoriia Vitrenkohaben die Ensemblemitglieder eine ebenso energische wie charismatische Lehrerin und Reiseleiterin gefunden.

Ausdrucksstarke Sopranistin

Die gebürtige Ukrainerin hat im November 2013 die Leitung des 1985 von Andreas Jäckel gegründeten Ensembles übernommen. „Es ist anspruchsvoller geworden seitdem“, findet Inge Letsch, langjähriges Chormitglied. Viktoriia Vitrenko, 1990 in Kiew geboren, stand schon als Jugendliche am Dirigentenpult und ist in der Region Stuttgart als ausdrucksstarke Sängerin bekannt. Ihr Fach ist der Lyrische Koloratursopran, bei Konzerten mit zeitgenössischer Musik beeindruckt sie durch perfekt dargebotene Vierteltöne.

Diese schwierige Kunst verlangt sie vom Rohrer-Lied-Ensemble natürlich nicht. Ein Probenbesuch zeigt jedoch, dass die Chorleiterin ihren Sängern einiges abfordert. „Männer“, ruft sie energisch, als ihr die Bass- und Tenorstimmen zu zurückhaltend singen. Nein, schüchtern darf man bei den Proben nicht sein. Sitzt allerdings eine ausgebildete Opernsängerin wie Vitrenko am Klavier oder dirigiert mit ihren weit ausholenden Gesten, dann wirkt das so mitreißend, dass alle aus sich herausgehen. Maxine und Amy Brendel beispielsweise, 14 und zwölf Jahre alt, gehören zu den Jüngsten im Ensemble. Sie sind über ihren Vater dazugestoßen und genießen es, über die Schule hinaus Gelegenheit zum Singen zu haben.

Zwei Stunden Entspannung

„Zum Chorsingen kommen nur diejenigen, die auch zu Hause singen“, hat Felix Dressler festgestellt. Der 28-jährige Bass ist seit Januar mit sichtlicher Freude dabei. Auch der Tenor Stefan Batem ist Anfang des Jahres nach einer längeren berufsbedingten Pause wieder eingestiegen. „Das Singen hat mir gefehlt“, sagt er und fragt sich nachdenklich, warum er die zwei doch recht anstrengenden Stunden immer als entspannend empfindet. „Ich glaube, das ist möglich, weil ich hier die Verantwortung abgeben kann“, sagt er.

„Viktoriia sprüht vor Energie“

„Das liegt an Viktoriia“, findet auch Regina Schweizer, „sie sprüht vor Energie und probt so, dass wir uns ganz sicher fühlen können.“ Die 50-Jährige war im vergangenen Jahr Hauptdarstellerin des Films „schwarz auf weiß“, den Vitrenko im Stil von Hollywoodfilmen aus den 30er- und 40er Jahren gedreht hat – mit schwäbischen Untertiteln. In dieser „Rohrer Romanze“ ging es einmal nicht nur um das Singen, sondern auch um das Darstellen. „Eine absolute Bereicherung“, erinnert sich Regina Schweizer an den Spaß bei den recht spontanen Dreharbeiten. Bei der Aufführung im Sommer saß dann Scott Sontag am Klavier. Der in Paris lebende Pianist aus dem amerikanischen Louisiana ist regelmäßig bei den Konzerten in Rohr dabei. In diesem Jahr wird seine vierstimmige Komposition „Frieden“ uraufgeführt.

An die Freude – als Popmusik

Die Bandbreite des Repertoires ist groß, Jazz-Standards wie „It Don’t Mean A Thing“ oder Volkslieder wie „Wohlan, die Zeit ist kommen“ sind ebenso dabei wie eine Pop-Version von Schillers „An die Freude“. Die Opernsängerin Vitrenko, die bei den Konzerten des Rohrer-Lied-Ensembles gelegentlich den Solopart übernimmt, hat da keine Berührungsängste. „Das muss strahlen! Ihr sollt singen wie Helene Fischer“, ermuntert sie die Frauen, „und ihr Männer singt jetzt mal wie Helene Fischer ohne Perücke.“ Auch beim abschließenden ukrainischen Wiegenlied endet die Probe mit Gelächter. Aufgefordert, die Damen anzuflirten, stellen sich die Männer, wie bei den meisten Chören in der Minderheit, in Positur und zeigen freudig, was sie können.

Serie In einer Serie stellen wir junge Chöre der Filderebene vor. Wir besuchen sie bei den Proben, sprechen mit den Chorleitern und Sängern und weisen darüber hinaus auf deren Auftritte in näherer Zukunft hin. Zum Auftakt der Serie geht es heute um das Rohrer-Lied-Ensemble.

Sommerkonzert Das Programm, mit dem das Rohrer-Lied-Ensemble durch die Ukraine getourt war, ist auch beim traditionellen Sommerkonzert zu hören. Es ist für Sonntag, 22. Juli, 18 Uhr, geplant und findet in der Kirchengemeinde Heilige Familie, Dürrlewangstraße 36, in Rohr statt. Auch das Frauenensemble Making Waves, das Chorleiterin Vitrenko in der Ukraine gegründet hat, ist bei dieser Gelegenheit zu erleben.

Kontakt Wer sich über den Chor informieren will, findet im Internet unter der Adresse www.rohrer-lied-ensemble.com weitere Informationen sowie Ansprechpartner.